Stutthof-Prozess: BGH verhandelt Revision ehemaliger KZ-Sekretärin

Stand: 31.07.2024 19:17 Uhr

Der Bundesgerichtshof in Leipzig hat den Fall der ehemaligen Sekretärin des KZ Stutthof, Irmgard F., verhandelt. Sie legte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe ein. Eine Entscheidung wird im August erwartet.

Ist die Quickbornerin Irmgard F. schuldig oder muss die mittlerweile 99 Jahre alte ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof doch freigesprochen werden? Ihr Anwalt hatte Revision eingelegt, diverse Rechtsfragen seien noch zu klären. Es gehe ihm nicht darum, "auf Biegen und Brechen" einen Freispruch zu erwirken, so der Anwalt der verurteilten Quickbornerin Irmgard F., Wolf Molkentin, auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein.

Die Revision sei aus seiner Sicht aber notwendig, weil das Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg) wichtige Rechtsfragen in seinem Urteil nicht beantwortet habe. Die 99-jährige ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof hatte gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht Itzehoe Revision eingelegt. Sie wurde wegen Beihilfe zum Mord in über 10.000 Fällen und versuchten Mordes in fünf Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Urteil: Arbeit der Sekretärin für "Durchführung der systematischen Tötung notwendig"

Das Landgericht Itzehoe ist überzeugt, dass Irmgard F. mit ihrer Schreibtätigkeit für den Kommandanten des Lagers dazu beigetragen hat, dass Gefangene durch Vergasung und Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz getötet wurden. Ihre Arbeit sei für die Organisation des Lagers und die Durchführung der systematischen Tötung notwendig gewesen. "Die Urteilsbegründung hat mich nicht überzeugt", so Molkentin.

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Alle erwarten ein Grundsatzurteil

Nun erwarten alle Verfahrensbeteiligten vom Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil. Die fünf Richterinnen und Richter des 5. Strafsenates wollen klären, ob eine Zivilangestellte wie die ehemalige Stenotypistin Irmgard F. überhaupt strafbar wegen Beihilfe zum Mord sein kann, wenn das Konzentrationslager, in dem sie gearbeitet hat, kein reines Vernichtungslager gewesen sei - so wie das KZ Stutthof. Darüber habe der Bundesgerichtshof in dieser Konstellation bislang noch nicht entschieden. Die Entscheidung darüber will das Gericht nach eigenen Angaben am 20. August fällen.

Im Zweifel für die Angeklagte

Darüber hinaus sollen weitere Unklarheiten beseitigt werden. Zum Beispiel die Frage, ob im Itzehoer Prozess zweifelsfrei bewiesen wurde, dass Irmgard F. die Mordtaten ihres Vorgesetzten willentlich unterstützt hat. Reichen die Beweise, die im Itzehoer Verfahren vorgelegt wurden, für den Schuldspruch aus? Nebenklagevertreter Stefan Lode findet es richtig, diese Unklarheiten jetzt zu klären. "Sie hat ja nur Schriftsätze angefertigt, nie eine Waffe in der Hand gehabt", so Lode. Und Verteidiger Molkentin betont: "Wenn Zweifel bleiben, muss es einen Freispruch geben."

Geht das Verfahren ans Landgericht zurück?

Nebenklagevertreter Lode bringt noch eine weitere Option ins Spiel: "Möglicherweise geben die Richter das Verfahren aber auch an das Landgericht zurück und sagen: 'Das habt ihr noch nicht geklärt, verhandelt das noch mal.'" Im Sinne seiner Mandantinnen und Mandanten, den Überlebenden des KZ Stutthof, hofft er aber, dass es bei dem Schuldspruch bleibt. Für ihn und die anderen Anwälte, die die Überlebenden vertreten, sei klar: "Gerade jüdische Gefangene sollten die KZ-Zeit und Arbeit dort nicht überleben. Anzunehmen, es sei geplant gewesen, die Leute nur zur Zwangsarbeit einzusperren, ist spätestens mit den Beschlüssen der Wannseekonferenz widerlegt." Er ist überzeugt: "Sie hat durch ihre Arbeit eine aktive Rolle bei den Taten gespielt. Sie hat als Teil der SS-Clique rund um den Kommandanten willentlich das tausendfache Morden unterstützt." Deswegen sei es richtig gewesen, sie wegen Beihilfe zu verurteilen.

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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 31.07.2024 | 18:00 Uhr

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