Studieren ohne Geld: Wenn es beim BAföG hakt
Komplexe Anträge, Fachkräftemangel und stockende Digitalisierung. All diese Faktoren sorgen für lange Bearbeitungszeiten bei BAföG-Anträgen. Das hat gravierende Folgen für die Studierenden.
Schon seit September muss Patrick Köhler ohne BAföG über die Runden kommen. Für den Studenten ist das eine echte Herausforderung. Obwohl er neben dem Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Kiel als Kellner jobbt, muss er sich Geld von Freunden und Verwandten leihen, damit es am Ende des Monats irgendwie reicht. Das geht nur mit drastischen Einschnitten. Statt für 50 - 70 Euro, kauft er pro Woche nur noch für 20 - 30 Euro ein. "Eine belastende Situation, die sich auf die psychische Gesundheit auswirkt", sagt Patrick Köhler. Sein Erspartes sei aufgebraucht, die meisten Verträge gekündigt und trotzdem kam er auch schon bei der Miete in Verzug.
BAföG: Verzögerungen möglich
Um pünktlich zu Beginn des Wintersemesters im September BAföG auf dem Konto zu haben, muss man den Antrag schon bis Ende Juni beim Amt für Ausbildungsförderung einreichen. Fehlt eine Anlage, wie zum Beispiel ein Versicherungsnachweis, kann der Antrag nicht direkt bearbeitet werden. Das war auch bei Patrick Köhler der Fall. Die Bearbeitung seines Antrags verzögerte sich und damit auch die Auszahlung der Förderung. Das ist keine Seltenheit: Aktuell warten in Schleswig-Holstein noch etwa 1.000 Studierende auf Zahlungen aus dem vergangenen Jahr. Denn: 90% aller BAföG-Anträge kommen unvollständig beim Amt für Ausbildungsförderung an. Einer der möglichen Gründe: Eine Umfrage der Tagesschau hat ergeben, dass 80% der Studierenden die Antragstellung kompliziert finden.
Überlastete Behörde
Beim Amt für Ausbildungsförderung vom Studentenwerk Schleswig-Holstein ist man sich dieser Problematik bewusst und verweist auf die Checkliste auf der Website, die dabei helfen soll, gleich einen vollständigen Antrag einzureichen. Außerdem wird den Studierenden geraten unbedingt die Fristen einzuhalten und sich in Notfällen direkt mit den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen in Verbindung zu setzen. Normen Laars, Leiter des Amts, betont, dass man bei ihm im Haus versuche, die Anträge möglichst schnell abzuarbeiten. Allerdings besteht schon seit Anfang 2023 akuter Personalnotstand bei der Behörde. Bis jetzt konnten nur zwei von acht offenen Stellen mit neuen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen besetzt werden.
Bis man beim BAföG durchblickt, dauert es
Die Einarbeitung der neuen Fachkräfte ist aufgrund der komplexen Anträge und Rechtsgrundlagen beim BAföG langwierig. Mindestens sechs Monate dauert es, bis man bereit ist ein Teilsachgebiet zu übernehmen - trotz abgeschlossener Ausbildung und Berufserfahrung in anderen Behörden. Bis man komplett selbstständig arbeiten kann, dauert es sogar bis zu drei Jahre. Auf der anderen Seite müssen junge Menschen aber schon zu Beginn ihres Studiums durch komplizierte Formblätter und Anlagen navigieren. Insbesondere Erstis wissen oft nicht, dass sie den Antrag schon Monate bevor sie überhaupt an einer Universität oder Fachhochschule angenommen werden stellen müssen.
Absurde Aktenberge
Ein weiterer Stolperstein ist die schleppende Digitalisierung. Zwar lassen sich BAföG-Anträge inzwischen über das Online-Portal https://www.bafoeg-digital.de/ einreichen, aber alles was digital im Amt ankommt, muss ausgedruckt und abgestempelt werden, um dann in einer analogen Akte aufbewahrt zu werden. Das betrifft nicht nur die Anträge und Anlagen, sondern auch die gesamte E-Mail-Korrespondenz zwischen Studierenden und dem Amt. Inzwischen sind mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fast durchgehend damit beschäftigt zu drucken. Zwar wurde die Einführung einer sogenannten E-Akte angekündigt, die diese Arbeit überflüssig machen würde, aber bis die wirklich kommt, kann es noch dauern. Laut Wissenschaftsministerium wird die Software zurzeit an ausgewählten Standorten in Sachsen-Anhalt und Hessen getestet. Ob sie 2024 in Schleswig-Holstein starten kann, ist fraglich.
Belastende Situation
Für Studierende wie Patrick Köhler heißt es also warten und hoffen. Eine finanzielle Notlage zu managen und sich gleichzeitig voll aufs Studium zu konzentrieren ist kaum möglich. Neben Hausarbeiten und Prüfungsstress sorgt die Geldnot auch für psychischen Druck und hindert an gesellschaftlicher Teilhabe. Mit Freunden ins Kino oder eine Bar zu gehen, ist einfach nicht mehr drin. Immer wieder von seinen Freunden eingeladen zu werden, ist ihm unangenehm. Patrick Köhler zieht sich zurück, soziale Kontakte leiden. Nun hofft der Student, dass er im Januar sein Geld bekommt. Falls nicht, muss er das Studium wahrscheinlich abbrechen.