Stadtwerke Flensburg bestellen riesige Meerwasser-Wärmepumpe
Eine der weltgrößten Meerwasser-Wärmepumpen soll ab 2027 Wärmeenergie aus der Flensburger Förde nutzen, um ein Fünftel der Stadt zu beheizen. Die Stadtwerke wollen Kohle und Gas mit Ökostrom ersetzen.
Nur wenige Tage, nachdem im dänischen Esbjerg eine der größte Meerwasser-Wärmepumpen der Welt in Betrieb gegangen ist, haben die Stadtwerke in Flensburg eine Anlage derselben Kapazität bestellt. Am Mittwoch unterzeichnete Geschäftsführer Dirk Thole den 70-Millionen-Euro-Vertrag mit dem irisch-amerikanischen Unternehmen JohnsonControls. Damit gehen die Stadtwerke den ersten großen Schritt, um fossile Energieträger durch Strom zu ersetzen.
20 Prozent Flensburgs soll umweltschonend gewärmt werden
Nach Angaben des Unternehmens wird damit ab 2027 ein Fünftel der Stadt mit klimaneutraler Wärme versorgt. Auch die umliegenden Gemeinden Harrislee und Glücksburg (Kreis Schleswig-Flensburg) hängen am Netz.
Drei große Containerboxen dicht am Ufer
Geplant ist, drei containerartige Module dicht an der Wasserkante auf dem Firmengelände der Stadtwerke zu platzieren. Jedes ist 13 Meter lang, 11 Meter hoch und 8 Meter breit. Bereits im Frühjahr werden dazu mehrere hundert Pfähle zur Stabilisierung in den Untergrund gerammt. Wenn die Anlage Mitte 2027 den Betrieb aufnimmt, sollen ihr die Pumpen bei voller Auslastung pro Sekunde rund 3.000 Liter Wasser zuführen. Leicht abgekühlt landet es kurze Zeit später wieder in der Förde.
Weniger Temperatur, mehr Durchfluss in den Rohren
Selbst bei Winterwetter kann die Großwärmepumpe die Flüssigkeit in den Fernwärmerohren, die durch die gesamte Stadt laufen, auf 60 bis 95 Grad bringen. Bisher liegt die Temperatur allerdings noch höher. Um das auszugleichen, muss künftig mehr Fernwärmewasser durch die Rohre strömen. Im östlichen Stadtgebiet ist dazu geplant, neue Rohre mit größerem Durchmesser zu verlegen. Die Gesamtinvestition beziffern die Stadtwerke für die erste Großwärmepumpe mit 130 Millionen Euro.
Ökostrom statt Kohle und Gas
Für den Betrieb der Kompressoren wird allerdings viel Strom benötigt: 20 Megawatt. Eine neue Stromleitung zum südlichen Stadtrand soll ihn liefern. Verbunden damit ist auch, dass die Stadtwerke künftig am deutschen Strommarkt hängen. Bisher besteht die Hauptverbindung zum dänischen Netz. Physikalisch liegt der Ökostromanteil in Deutschland bisher bei etwa 60 Prozent, Tendenz steigend. Beziehen wollen die Stadtwerke ihren Strom ausschließlich von Anbietern mit nicht-fossilen Quellen.
Stadtwerke Flensburg wollen 2035 klimaneutral sein
Die thermische Leistung der Anlage liegt bei 60 Megawatt. So viel können etwa 6.000 einzelne Wärmepumpen für Einfamilienhäuser produzieren. Ein oder zwei weitere Großwärmepumpen sollen folgen, um dem Ziel der Klimaneutralität 2035 näher zu kommen. Diesen Termin hatten die Flensburger Ratsvertreter beschlossen. Er liegt fünf Jahre vor der angestrebten Klimaneutralität in Schleswig-Holstein und zehn Jahre vor dem Bund. In der Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern sind mehr als 90 Prozent der Haushalte an die Fernwärme angeschlossen.
Meerwasser-Wärmepumpen auch in Kiel
Das sei "ein riesiger Hebel", um die Wärmeversorgung klimaneutral zu machen, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Thole. Inwieweit grüner Wasserstoff als Energieträger künftig die Versorgung ergänzen kann, ist noch offen. Pläne für eine Leitung nach Esbjerg hatten sich zuletzt verzögert. Einen ähnlichen Weg schlagen die Stadtwerke in Kiel ein. Auch sie wollen Meerwasser-Wärmepumpen installieren. Die erste Anlage soll dort bis 2028 in Betrieb gehen.
Kein Betrieb bei extremem Frost
Problematisch wird der Betrieb ausgerechnet dann, wenn der Heizbedarf am höchsten ist. Zwar kommt es nur selten vor, dass das Fördewasser in mehreren Metern Tiefe gefriert. Mit voller Leistung kann die Großwärmepumpe trotzdem nur bei Wassertemperaturen von mehr als 8 Grad laufen, da sie das Wasser herunterkühlt. Eisbildung würde die Anlage beschädigen. Hier müssen die Stadtwerke noch Erfahrungen sammeln. Messwerte liegen bisher nur in einem Meter Tiefe vor, die nahelegen, dass an etwa zwei Wochen im Jahr kein Betrieb möglich ist.
Nur wirtschaftlich mit Förderung
Nur ein Fragezeichen steht noch über den Plänen: Mehr als ein Jahr nach Antragstellung warten die Flensburger Stadtwerke noch immer auf einen Förderbescheid. Ohne ihn sei das Projekt nicht zu stemmen. Die Stadtwerke sind zwar zuversichtlich und vermuten, dass die Bundesanstalt BAFA einfach viel zu tun hat. Der Vertrag hat deshalb aber noch eine Ausstiegsklausel, bis alles in trockenen Tüchern ist.