Northvolt-Krise: Diese Steuergelder stehen auf dem Spiel
Der angeschlagene Batteriehersteller Northvolt hat bereits 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank erhalten. Schleswig-Holstein bürgt für die Hälfte, der Bund für die andere. Geht Northvolt pleite, müssen die Steuerzahler es ausgleichen.
Batterien für eine Million E-Autos jährlich, "made in Dithmarschen" - ein großes Ziel, das teuer ist. Der Batterieproduzent Northvolt rechnet für seine Fabrik bei Heide mit Baukosten von 4,5 Milliarden Euro. Dafür hat sich das Unternehmen auch Unterstützung von Bund und Land zugesichert. Doch nun geht Northvolt das Geld aus. Vergangene Woche leitete die Firma aus Schweden ein Sanierungsverfahren in den USA nach Chapter 11 ein. Unter der Aufsicht eines Konkursrichters in Houston (Texas) kann das Unternehmen die Geschäfte zunächst weiter betreiben. Das verschafft Northvolt etwas Zeit. Die Forderungen der Geldgeber stellt ein US-Gericht per Gesetz erst einmal zurück - und damit auch Millionen-Beträge aus Deutschland.
Wandelanleihe bereits voll ausgezahlt
Auf der Liste der zurückgestellten Forderungen steht auch eine sogenannte Wandelanleihe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Northvolt erhielt 600 Millionen Euro mit der Bedingung, das Geld später entweder zurückzuzahlen oder im gleichen Wert Aktien herauszugeben. Mit Blick auf das nun begonnene Sanierungsverfahren in den USA sagte der schleswig-holsteinische FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz: "Dabei werden sicherlich die schon gezeichneten Anteile nicht in derselben Werthaltigkeit bestehen bleiben, wie sie vorher waren." Das Land müsse damit rechnen, dass Geld verloren ist. "Ich sehe düstere Wolken am Himmel", so Buchholz. Schleswig-Holstein bürgt bei der Förderbank KfW nämlich für die Hälfte. Das hatte der Landtag damals einstimmig verabschiedet. Sollte Northvolt im Zuge von Chapter 11 irgendwann weniger oder gar nichts an die KfW zurückzahlen, müssen die Steuerzahler einspringen.
SH haftet mit bis zu 300 Millionen Euro
Ob und welche Risiken für Bund und Land bestehen, werde "eingehend mit dem Bund besprochen und bewertet", teilte Staatskanzlei-Chef Dirk Schrödter (CDU) am vergangenen Donnerstag mit. "Über die Risikoposition des Bundes und des Landes hinsichtlich der Wandelanleihe kann somit derzeit noch keine Aussage getroffen werden." Ihm zufolge sei es denkbar, dass die Sanierung im Chapter-11-Verfahren "vertragliche Anpassungen bestehender Schuldverhältnisse und/oder einen Verzicht auf Ansprüche beinhaltet". Im schlimmsten Fall haftet das Land mit 300 Millionen Euro - in einer Zeit, in der das Land wegen der angespannten Haushaltslage an etlichen Stellen sparen muss.
Northvolt betont, die deutsche Tochterfirma werde unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert und sei nicht Teil des Chapter-11-Verfahrens. "Das Geld der Wandelanleihen liegt auf deutschen Konten und wird in Abstimmung mit der KfW für den Bau der Batteriefabrik in Heide genutzt", teilte Northvolt auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mit.
Kredit geflossen - Fördergelder noch nicht
Neben der Wandelanleihe der KfW haben Bund und Land rund 700 Millionen Euro Fördergelder für die Ansiedlung bei Heide zugesagt. Von diesem Geld hat Northvolt noch nichts abgerufen. Der Batterieproduzent wird das nach eigenen Angaben auch erst dann tun, sobald das Sanierungsverfahren in den USA abgeschlossen ist. "Für die Auszahlung von Fördermitteln ist Voraussetzung, dass die finanz- und betriebswirtschaftlichen Verhältnisse im Einklang mit den förderrechtlichen Vorgaben stehen", sagt Staatskanzlei-Chef Schrödter. Das bedeutet, das Land prüft fortlaufend, ob Northvolt finanziell solide genug dasteht, um die staatlichen Fördermittel zu erhalten.
Northvolt braucht mehr als eine Milliarde Dollar
Die Krise von Northvolt in Schweden und mögliche Folgen für die Batteriefabrik in Dithmarschen sorgen auch in Berlin für Unruhe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) im März zum Baustart nach Dithmarschen gekommen war, sagte am Wochenende, er sei "vorsichtig optimistisch". "Das Verfahren, das sie jetzt gewählt haben, kann gut ausgehen", sagte Habeck am Rande eines Termins in seinem Wahlkreis. "Mit der Neuaufstellung des Managements wird sicherlich auch Kapital nachkommen können", so Robert Habeck.
Northvolt sucht tatsächlich nach einem weiteren Investor. Um das Geschäft wieder auf die Spur zu bringen, würden zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden US-Dollar benötigt, sagte Vorstandschef Peter Carlsson am Freitag und kündigte zugleich seinen Rückzug vom Chefposten an.
VW ist größter Anteilseigner
Northvolt galt hinsichtlich der Batterieproduktion für E-Autos lange Zeit als großer Hoffnungsträger der europäischen Automobilindustrie. Größter Anteilseigner des Unternehmens ist der deutsche Autobauer Volkswagen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet, habe VW den Buchwert für die Beteiligung bereits signifikant abgeschrieben. Ein Volkswagen-Sprecher erklärte dazu, das Unternehmen habe zur Kenntnis genommen, dass Northvolt Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt habe. Zu den möglichen Folgen für den Volkswagen-Konzern äußere man sich nicht. Im Geschäftsbericht 2023 wurde der Wert der Beteiligung noch mit 693 Millionen Euro beziffert, 2022 waren es noch mehr als 900 Millionen Euro.
Wie Reuters und die "Financial Times" berichten, überprüfen auch andere private Investoren ihre Beteiligung an Northvolt. "Es ist für jeden offensichtlich, dass der Wert von Northvolt deutlich niedriger ist als vergangenes Jahr", sagte ein Sprecher eines Pensionsfonds, der ebenfalls in Northvolt investiert hatte. Nach einem Bericht der "Financial Times" will der zweitgrößte Investor, die Investmentbank Goldman Sachs, seine Beteiligung bis Jahresende sogar auf Null abschreiben.
EU-Darlehen ebenfalls in Gefahr?
Wie die schwedische Wirtschaftszeitung "Dagens Industri" (DI) berichtet, beläuft sich ein ausstehendes Darlehen der Europäische Investitionsbank (EIB) auf 313 Millionen Euro. Der Betrag werde durch einen Unterstützungsfonds garantiert, den die EU finanziert - also im Endeffekt die Steuerzahler der Mitgliedsländer. Laut DI sind auch zahlreiche öffentliche Unternehmen in Schweden an Northvolt beteiligt und bangen um ihr Geld. Darunter sind unter anderem der Staatskonzern Vattenfall und die Stadtwerke von Skellefteå.