Nachhaltige Wehrtechnik? Finanzierung beschäftigt Landespolitik
Geplante EU-Standards sollen Investitionen in sozial nachhaltige Industrien fördern. Rüstungsunternehmen berichten, dass sie deshalb schon jetzt keine Finanzierung mehr durch Banken bekommen. Die FDP fordert daher, dass sich die Landesregierung für die Industrie einsetzt und die Branche als nachhaltig einstuft.
Die Finanzierung der Rüstungsindustrie in Schleswig-Holstein hat am Mittwoch erneut die Landespolitik beschäftigt. Die FDP hatte eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss beantragt und gefordert, dass die Branche als nachhaltig eingestuft wird. Hintergrund ist die sogenannte EU-Sozialtaxonomie: Darin sollen Tätigkeiten und Unternehmen aufgeführt werden, die einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit leisten, sodass Investitionen in diese Bereiche gefördert werden. Noch gibt es diese Regeln nicht, aber bereits entsprechende Standards für ökologisch nachhaltige Industriezweige.
Rüstungsbetriebe: Bedrohliche Situation
Mehrere Vertreter von Rüstungsbetrieben in Schleswig-Holstein berichteten im Ausschuss davon, dass Banken ihnen aufgrund der schon bestehenden und der möglicherweise noch kommenden EU-Regelungen Kredite verweigern. So berichtete der Finanzvorstand der German Naval Yards, Jens Eichenauer, von einer benötigten Finanzierung für ein Krankenhausschiff, die bislang mehrere öffentliche und private Banken abgelehnt hätten - mit der Begründung, dass militärische Projekte nicht mit der Hauspolitik vereinbar seien oder die Bank keine Expertise in diesem Bereich hätte.
Für Eichenauer ist das unverständlich: "Was muss denn noch passieren? In der Ostsee fliegt uns die Pipeline um die Ohren, soll irgendwann die DLRG kommen mit ihren Schiffen oder kriegen wir uns finanziert, dass wir Schiffe bauen können für die Bundeswehr?" Er wünsche sich mehr politische Unterstützung. Auch Andreas Sedlmayr vom Unternehmen Autoflug in Rellingen (Kreis Pinneberg) sagte, er verstehe nicht, "warum Produkte, die wir an unsere Streitkräfte und an die NATO liefern, die einen Verfassungsauftrag erfüllen, am Ende des Tages bestraft werden". Die Betriebe bräuchten eine verlässliche Finanzierung, auch um Arbeitsplätze zu sichern. Die Lürssen-Werft sprach in einer Stellungnahme von einer "stetig bedrohlicher werdende Situation in Bezug auf die Finanzierung von Bundeswehr-Aufträgen" und forderte Hilfe von der Landesregierung, auch durch eine Sensibilisierung auf Bundesebene.
BDSV: "Krieg ist die schlimmste Umweltsünde"
Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sieht ebenfalls ein großes Problem. Finanzinstitute sorgten sich um ihren Ruf, da Waffen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung negativ und eher nicht als nachhaltig angesehen würden, sagte Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien im Ausschuss. Er sprach sich ebenfalls dafür aus, die wehrtechnische Industrie als nachhaltig einzustufen. "Es ist einfach so, im Status des Krieges gibt es keine Nachhaltigkeit", so Atzpodien. "Krieg ist die schlimmste Umweltsünde, die man sich vorstellen kann." Die Ausrüstung, die an die Streitkräfte der NATO geliefert werde, diene der Erhaltung des Friedens und schaffe damit die Grundlage, Nachhaltigkeitswerte überhaupt bewahren zu können. Die Rüstungsindustrie setzt sich laut dem Verband außerdem besonders dafür ein, ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten.
Kritik an Weg über EU-Taxonomie
In der Ausschusssitzung wurde jedoch auch in Frage gestellt, ob der Weg über die EU-Taxonomie und eine entsprechende Einstufung der Rüstungsindustrie das Finanzierungsproblem lösen können. Johannes Marzian vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sprach von einem Zielkonflikt, die EU-Taxonomie sei nicht das richtige Instrument. Die Landespolitikerinnen und -politiker könnten stattdessen gemeinsam mit der Industrie an zielgerichteteren Maßnahmen arbeiten. Auch Eichenauer von German Naval Yards sagte, eine Einstufung der Wehrtechnik als nachhaltig würde zwar helfen, der Weg über die EU-Taxonomie würde jedoch zu lange dauern. Die Landesregierung solle an die öffentlichen, landeseigenen Banken appellieren, sich für Investitionen in die Wehrtechnik zu öffnen. "Ohne politischen Druck auf die öffentlichen Kreditinstitute werden wir aus unserer Sicht keine Fortschritte in der Entwicklung machen", sagte er. "Wenn die landeseigenen Banken dem Thema offen gegenüberstehen, würde uns das sehr helfen."
FDP: Landesregierung muss sich positionieren
Bernd Buchholz forderte als wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP ein klares politisches Signal für die wehrtechnischen Betriebe in Schleswig-Holstein. Diese würden bisher "im Regen stehen gelassen". Das Land müsse sich für sie einsetzen, beispielsweise über eine Initiative im Bundesrat und ein klares Bekenntnis zur Einstufung als nachhaltige Branche. "Die Landesregierung könnte einmal erklären, dass die Wehrtechnik, so weit sie zur Ausrüstung der Bundeswehr und der NATO da ist, eine nachhaltige Industrie ist", so Buchholz. Außerdem müsse sie ihren öffentlichen Finanzinstituten den klaren Auftrag geben, Vorhaben der Wehrtechnikbranche zu finanzieren.
CDU und Grüne wollen sich weiter mit dem Thema befassen
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Oliver Brandt (Grüne) zeigte sich skeptisch gegenüber einer pauschalen Einordnung der Rüstungsindustrie als nachhaltig. Aus seiner Sicht bedarf es dieser Einstufung nicht. "Die Anhörung hat gezeigt, dass das Problem, dass wir alle gleich sehen, offensichtlich nicht durch die Änderung der EU-Taxonomie gelöst werden kann", sagte er. Stattdessen wäre aus seiner Sicht eine Vorfinanzierung des Bundes bei Projekten für die eigenen Streitkräfte denkbar. Es werde sicherlich weitere Gespräche zu dem Thema geben.
Auch die CDU bekräftigte, die aufgeworfenen Fragen in weitere Gespräche mitnehmen zu wollen. Aufträge für die Bundeswehr seien wichtig für den Standort Schleswig-Holstein, sagte CDU-Politikerin Uta Wenzel. Die Landesregierung müsse hier für faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt sorgen. "Wir stehen in den Startlöchern, wir haben hier super Unternehmen und sind bereit, einen Beitrag für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der NATO zu leisten". Man werde an die Partner in Berlin und Brüssel appellieren, aber auch an kurzfristigen Finanzierungslösungen arbeiten. Einen großen Konflikt zwischen schwarz-grün auf Landesebene sieht sie dabei nicht, es gebe aber unterschiedliche Ansätze im Bereich Nachhaltigkeit.
Bankenverband sieht Finanzierung nicht gefährdet
Die Einschätzungen aus dem Finanzsektor fielen gemischt aus. Der Bankenverband als Vertretung der privaten Geldinstitute sieht "die Finanzierung von Verteidigungs- und Rüstungsgütern weder im Kredit- noch im Kapitalmarktbereich als gefährdet an". Investitionen in diese Bereiche würden jeweils im Einzelfall geprüft und die Finanzierung international geächteter Waffen grundsätzlich ausgeschlossen. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) gab ebenfalls an, die Wehrtechnik, einschließlich vor- und nachgelagerter Betriebe, im Bereich der Wirtschaftsförderung zu unterstützen. Finanzierungen "mit kritischen Einflussfaktoren auf die Nachhaltigkeitsentwicklung", darunter auch kontroverse Rüstungsgüter, würden vermieden. "Für die Finanzierung politisch legitimierter Aufträge" stehe die IB.SH jedoch weiterhin bereit.
Der Sparkassen- und Giroverband sprach dagegen von einer erheblichen Unsicherheit durch eine bisher fehlende Bewertung der wehrtechnischen Unternehmen für die EU-Sozialtaxonomie. "Dies erschwert die Entscheidung für ein direktes und dauerhaftes Engagement und könnte insofern auch für die in Schleswig-Holstein ansässigen Betriebe aus dem Mittelstand, die weniger Zugang zum überörtlichen Kapitalmarkt haben, ein Hemmnis werden", hieß es in einer Stellungnahme. Das Forum Nachhaltige Geldanlange warnte davor, die Sicherheits- mit einer Nachhaltigkeitsdebatte zu vermischen. Eine nationale Entscheidung, ob eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig eingestuft werden sollte, hält der Fachverband für ebenfalls für nicht hilfreich.