"Mental Load": Wenn die geistige Last zu viel wird und was helfen kann
Vor allem bei Müttern rattert ständig im Kopf, was noch erledigt werden müsste. Kurz vor den Sommerferien häuft sich besonders viel "Mental Load" an. Die Dauerbelastung stresst, kann zu Beziehungszoff und Erschöpfung führen.
Die Anmeldung für den Schwimmkurs muss verschickt werden, die Kinder-Sonnencreme ist leer - und passen alle eigentlich noch in ihre Badeanzüge? Gerade vor den großen Ferien ballt sich der "Mental Load", also die geistige Last der organisatorischen Aufgaben rund um das Familienleben. Studien zufolge übernehmen diese Denkarbeit überwiegend Mütter - selbst, wenn sie in Vollzeit arbeiten. Die Folgen: Frust, Streit und Erschöpfung.
Was hilft: Aufgabenbereiche im Familienalltag klar aufteilen
Es gibt sie allerdings: Paare, die den "Mental Load" gerecht aufteilen. Antonia und Tim Gnoerrlich aus Lübeck haben fünf Kinder im Alter zwischen vier und zwölf Jahren, arbeiten in Vollzeit in ihren Ingenieur-Jobs, dazu engagieren sie sich auch noch als Elternvertreter. Für sie funktioniert der Familienalltag dank klarer Aufgabenteilung.
Antonia kümmert sich um alles, was mit dem Kindergarten und den weiterführenden Schulen zu tun hat. Aufgaben rund um Grundschule und Sportvereine liegen wiederum bei Tim. Deshalb besorgt er auch ein Abschiedsgeschenk für die Erzieherinnen. Antonia ist froh, dass sie sich auf ihren Mann verlassen und die Themen, für die sie nicht zuständig ist, ausblenden kann: "Das funktioniert nur, wenn ich nicht die ganze Zeit damit beschäftigt bin, Aufgaben zu delegieren. Das alleine würde mich nicht entlasten, dann hätte ich es ja trotzdem noch im Kopf."
"Mental Load" kann zu Dauerstress führen - und der kann krank machen
Viele Paare scheinen eine faire Verteilung des "Mental Load" nicht so gut hinzubekommen. In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem vergangenen Jahr wurde gefragt: Wer organisiert in ihrem Haushalt die notwendigen Alltagsaufgaben? Das Ergebnis: Rund 60 Prozent der befragten Frauen fühlen sich überwiegend oder nahezu komplett alleine zuständig. Selbst wenn Frauen in Vollzeit arbeiten, tragen sie der Studie zufolge den größten Anteil des "Mental Load".
"Mental Load führt zu Stress", sagt Psychotherapeut Jabin Kanczok aus Kiel. "Und Dauerstress macht anfällig für allerlei Erkrankungen." Viele würden die Warnsignale ihres Körpers überhören, sagt der Psychotherapeut: "Wenn man schlechter schläft oder ungeduldiger wird, kann das ein Hinweis darauf sein, dass der Stress zu hoch ist."
Marieke Lehnen ist psychologische Beraterin und Coach zu Familienthemen aus Lübeck. Sie veranstaltet Workshops rund um "Mental Load". Das Interesse sei groß. Auch in ihren Coachings ginge es oft um nicht enden wollende To-Do-Listen. "Eine Mutter hat mir erzählt, dass sie nach dem Tanken losgefahren ist, ohne zu bezahlen. Das ist dann schon der Overload." Wenn die Familienlast ungleich verteilt ist, leidet auch die Beziehung, sagt die Beraterin: "Weil der Mann sich nicht gleichwürdig fühlt und die Frau denkt: Wir wollten zusammen eine Familie und jetzt bin ich quasi alleinerziehend. Ich sehe keinen Unterschied darin, ob ich mich trenne oder mit meinem Mann zusammen bleibe."
Für mehr Verständnis: Unsichtbare Aufgaben auflisten
Im Coaching hilft Marieke Lehnen den Paaren, die vielen oft unsichtbaren Aufgaben sichtbar zu machen - zum Beispiel mit "Mental Load"-Fragebögen. Wenn die Mütter dann aufzählten, woran sie den ganzen Tag denken, seien viele Männer völlig überrascht, sagt die Expertin. Oft sei das der erste Schritt für mehr Verständnis.
Auch die Expertin empfiehlt, Aufgabenbereiche am besten klar aufzuteilen. Eltern von zwei Kindern könnten zum Beispiel vereinbaren, dass die Mutter für alles Organisatorische rund um Kind eins zuständig ist und der Vater für Kind zwei. Was nach Erfahrung der Familienberaterin nicht funktioniert: Die Idee, dass der Vater im Alltag "hilft" und nach Ansage der Mutter Aufgaben übernimmt. Stattdessen müssten Frauen ihren Männern einfach vertrauen, dass all das, wofür sie nicht zuständig ist, erledigt wird.
"Maternal Gatekeeping": Manche müssen lernen, Aufgaben loszulassen
Genau das falle vielen Frauen schwer, sagt Marieke Lehnen: "Es gibt Frauen, die das sozusagen an sich reißen. Etwa 20 Prozent machen dieses "Maternal Gatekeeping". Dahinter steckten oft vorgelebte Rollenbilder. "Wenn ich in meiner Familie erlebt habe, dass die Mutter sich um alles kümmert, habe ich einen eigenen Anspruch an mich, dass ich das auch so machen möchte." Oft folgten wir dabei unbewusst solchen Rollenbildern, so Lehnen.
Keine traditionellen Rollenbilder bei Familie Gnoerrlich
Dass Antonia und Tim Gnoerrlich schon in der Studienzeit Kinder bekommen haben, habe ihnen geholfen, nicht in traditionelle Rollenbilder zu verfallen, sagt Antonia Gnoerrlich. Sie ist froh, dass sie ihre Karriere vorantreiben und gleichzeitig Mutter von fünf Kindern sein kann: "Weil ich weiß, ich kann alle Aufgaben teilen, es hängt nicht nur an mir." Tim, der sich beispielsweise alleine um die Wäsche kümmert, ergänzt: "Wir sehen uns völlig gleichberechtigt an. Und ich frage mich bei Dingen, die ich erledige, nicht: Das müsste eigentlich meine Frau machen."
Auch bei Familie Gnoerrlich läuft nicht immer alles rund. Ein Thema, das öfter mal im Alltag hintenüber kippt, ist die Urlaubsplanung. Antonia und Tim sehen es gelassen. Dann werde eben spontan entschieden, wohin die Reise geht. In den Sommerferien ist ein Trip nach Berlin geplant, die großen Kinder wollen außerdem Zelten, dazu gibt es Auszeiten bei den Großeltern. Grundsätzlich werde in Ferienzeiten der Familienalltag deutlich entspannter geplant, sagt Antonia. "Eher spontan, nach Bedürfnissen und Interessen."