Mammografie: Warum aktuell viele Frauen Absagen bekommen
Als verspätete Reaktion auf neue Empfehlungen zum Strahlenschutz stellt das Klinikum Nordfriesland die Brustkrebsvorsorge um. Hunderte Frauen sind betroffen.
Röntgenstrahlen helfen, Brustkrebs rechtzeitig zu erkennen. Gleichzeitig stellen sie aber auch ein Risiko dar, genau diesen zu verursachen. Die komplexe Abwägung, wie oft Frauen mit welchen Methoden zur Mammografie kommen sollten, hat jetzt zu etwa 400 Absagen von Terminen in der Klinik Nordfriesland geführt.
Vorsorgeuntersuchung: Geänderte Empfehlungen seit 2019
Betroffen von den Absagen sind laut Klinikleitung Frauen mit erhöhtem Risiko, beispielsweise aus familiären Gründen. Sie bekamen bisher jährliche Termine, die automatisiert weit im Voraus vergeben wurden. Die Leitlinien zur Onkologie hatten diesen Rhythmus in der intensivierten Früherkennung 2012 für bestimmte Altersgruppen empfohlen, neben halbjährlichen Tast-Untersuchungen. Bereits 2019 empfahl die Strahlenschutzkommission allerdings für Frauen mit erhöhtem Risiko, auf die schonendere Magnetresonanztomografie (MRT) zu setzen. Mammografie sei dagegen nur zu erwägen, wenn das MRT nicht ausreichend ist. Ab einem Alter von 40 Jahren sei ein zweijähriger Rhythmus zu erwägen. In den Leitlinien Onkologie von 2021 ist die Empfehlung zur jährlichen Mammografie schließlich verschwunden.
Klinikum Nordfriesland zieht Reißleine
In Husum blieb es allerdings zunächst bei der häufigen Untersuchung. Die neue Chefärztin für Radiologie und Nuklearmedizin sagte auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein, die Diskrepanz zwischen Leitlinien und Terminvergabepraxis sei erst jetzt aufgefallen. Daraufhin habe die Klinik die Reißleine gezogen und die Termine abgesagt. Geschäftsführer Stefan Unger bedauert die Irritationen. Andere Kliniken mit massenhaften Absagen sind weder KVSH noch Ärztekammer bekannt. Das Universitätsklinikum UKSH mit seinen Standorten in Kiel und Lübeck schreibt, je nach genetischer Mutation finden die Untersuchungen in unterschiedlichen Abständen statt. In engen Zeiten würden Termine nach individueller Dringlichkeit vergeben.
Ärztekammer und KVSH wollen Vorgang prüfen
Die Ärztekammer betont, es sei wichtig den "Handlungs- und Entscheidungskorridor zu verstehen, von denen in begründeten Fällen jedoch abgewichen werden kann oder sogar muss." Dennoch überraschen die Vorgänge in Husum offenbar: "Die Ärztekammer Schleswig-Holstein hat nach Bekanntwerden der Absage mehrerer bisher turnusmäßig durchgeführter Mammographien das Gespräch mit der Radiologischen Praxis des MVZ gesucht und wird in den Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein treten, um das Geschehen prüfen und bewerten zu können."
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass "radioaktive Röntgenstrahlen" bei der Vorsorgeuntersuchung helfen würden. Das ist nicht richtig. Röntgenstrahlen sind nicht radioaktiv. Bei der Untersuchung findet auch keine "Bestrahlung" statt.