Losverfahren für Fünftklässler in SH: Wohin nach der Grundschule?
Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder aufs Gymnasium. Allerdings gibt es nicht überall genug Plätze. Deshalb losen einige Schulen aus, wer zu ihnen darf.
In Schleswig-Holstein entscheidet sich in diesen Tagen, wie es nach der Grundschule für die Viertklässler weitergeht - und vor allem, an welcher weiterführenden Schule. Viele haben bereits eine Zusage einer Gemeinschaftsschule oder eines Gymnasiums erhalten, andere warten aber noch darauf. Einige Schulen haben mehr Anmeldungen als Plätze und müssen deshalb auslosen, wen sie aufnehmen und wen nicht. Wo die Kinder wohnen oder welche Empfehlungen die Grundschule ausgesprochen hat, ist dabei nicht entscheidend. So können zum Beispiel auch Kinder an einer Schule abgelehnt werden, obwohl sie direkt nebenan wohnen. Wo sie einen Platz bekommen, ist manchmal also reine Glückssache.
Tränen bei Absage
Die Zwillinge Tim und Rieke aus Kiel erleben genau das. Wir haben die Namen der Kinder geändert, weil sie negative Auswirkungen in der Schule befürchten. Eigentlich wollten Tim, Rieke und ihre Eltern, dass die Zwillinge auf das nahe gelegende Gymnasium, die Hebbelschule, gehen. Rieke war besonders begeistert von dem Austausch-Programm dort. Es sollte unter anderem nach Finnland gehen. Doch daraus wird nichts - obwohl die beiden eine Empfehlung für das Gymnasium haben. Vor ein paar Tagen haben sie eine Absage erhalten. "Ich habe im Briefkasten diesen großen Brief der Schule gesehen und da hatte ich schon eine Vorahnung", sagt ihre Mutter. Die Schule hat die Unterlagen, wie etwa die Zeugnisse, wieder zurückgeschickt. "Ich habe den Text gar nicht zu Ende gelesen", sagt die Mutter. Die Kinder seien erstmal in ihr Zimmer gegangen und waren niedergeschlagen, erinnert sie sich. Am Tag darauf habe es Tränen in der Klasse gegeben, als sich die Kinder über die Zu- oder Absagen ausgetauscht hätten.
Schülerzahl steigt
In Schleswig-Holstein gibt es laut Bildungsministerium derzeit 180 Gemeinschaftsschulen und 100 Gymnasien. Beide Schularten verzeichneten im laufenden Schuljahr einen leichten Anstieg der Schülerzahl. Auch für die kommenden Jahre rechnet das Land weiter mit steigenden Zahlen. Der Anteil der Kinder, die nach der vierten Klasse von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Laut Bildungsministerium wechselten 1996 knapp 33 Prozent aufs Gymnasium, 2022 waren es knapp 43 Prozent. Nach Ansicht des Landeselternbeirats der Gymnasien schicken allerdings viele Eltern ihre Kinder ohne entsprechende Empfehlung auf ein Gymnasium.
Schule am anderen Ende der Stadt?
Das Land regelt in einem Erlass, wie das Verfahren beim Schulwechsel verlaufen muss. Noten oder andere Faktoren wie die Entfernung zum Wohnort spielen für die aufnehmende Schule keine Rolle. Lediglich Geschwisterkinder haben ihren Platz an derselben Schule sicher. Konkret hieße das, dass es theoretisch möglich sei, dass ein Kind auf eine Schule gehen könnte, die am anderen Ende der Stadt liegt, so Claudia Pick vom Elternbeirat der Gymnasien. Die Schulen würden zwar auf die Entfernung achten, sicher sei das aber nicht.
Zwei Wege im Auswahlverfahren
In Schleswig-Holstein haben Betroffene zwei Möglichkeiten, um sich auf eine weiterführende Schule zu bewerben. Beim ersten Verfahren müssen Kinder und Eltern drei Lieblingsschulen angeben. Wenn man bei der ersten Schule Pech hatte, werden die Bewerbungsunterlagen direkt an die nächste Schule weitergeleitet. Am Mittwoch vergangener Woche mussten die Schulen über den Erstwunsch entschieden, an diesem Mittwoch über den Zweitwunsch, kommenden Mittwoch über den Drittwunsch.
Die andere Möglichkeit ist, dass die Eltern sich nur auf eine Schule bewerben. Wenn das Kind im Losverfahren gezogen wird, geht es auf die Schule. Wenn nicht, müssen sich die Eltern innerhalb weniger Tage für eine andere Schule bewerben. Tim und Riekes Eltern haben sich für dieses Verfahren entscheiden.
19.-28.02. | Anmeldungen an Schulen |
bis 06.03. | Aufnahmeentscheidungen der erstgewünschten Schulen |
bis 12.03. | ggf. Bewerbung zweites Verfahren |
13.03. | Aufnahmeentscheidungen der mit zweiter Priorität gewünschten Schulen |
bis 19.03. | ggf. Bewerbung drittes Verfahren |
20.03. | Aufnahmeentscheidungen der mit dritter Priorität gewünschten Schulen |
Bewerbung und keine Anmeldung
Der Vater der Zwillinge kritisiert, dass es nicht mehr um die Frage ginge, auf welcher Schule die Kinder die besten Bildungsmöglichkeiten haben - sondern darum, wo sie überhaupt einen Platz finden. Er fühle sich hilflos und sei überrascht vom Verfahren gewesen. Er sei von einer Anmeldung ausgegangen, nicht von einer Bewerbung.
Die Plätze für Gymnasien sind knapp
Dass Rieke und Tim keinen Platz auf der favorisierten Hebbelschule bekommen haben, überrascht angesichts der Anmeldezahlen dort kaum. Laut Schulleiter haben sich in diesem Jahr doppelt so viele Schülerinnen und Schüler beworben als noch im vergangenen Jahr. Die Hebbelschule musste ihm zufolge insgesamt 51 Absagen verschicken. Entscheidend sei laut Bildungsministerium: "Am Ende wird allen Kindern, die ein Gymnasium besuchen wollen, ein Platz an einem Gymnasium gesichert sein."
Die Zwillinge haben einen Schulplatz
Rieke und Tim können sich freuen. Die beiden haben nun einen Platz auf einem Kieler Gymnasium bekommen, das sie gut erreichen können und das in einem Stadtviertel liegt, das sie kennen.