Sterilisation: Warum eine junge Kielerin auf Widerstand stößt

Stand: 07.09.2024 18:00 Uhr

Krieg, Klimawandel, finanzielle Abhängigkeiten. Die Gründe, warum Frauen keine Kinder haben wollen, sind unterschiedlich. Häufig müssen sie sich für genau diese Entscheidung erklären.  

von Lilli Michaelsen

Leonie sitzt mit einer Tasse Tee in der Hand auf dem Sofa in ihrer Wohnung. Gerade liegt eine 24-Stunden-Schicht hinter der 23-jährigen Kielerin. Sie arbeitet als Pflegerin in der Anästhesie. "Mit meinem Beruf könnte ich mich nicht auch noch um ein Kind kümmern", sagt sie. Dass sie keine Mutter werden möchte, wusste Leonie schon als Jugendliche. Das Bedürfnis ein eigenes Kind zu bekommen, sei einfach nie da gewesen, erzählt sie. Ihre Meinung hat sie bis heute nicht geändert.

Vielfältige Gründe für gewollte Kinderlosigkeit

Für ihre Entscheidung müsse sie sich immer wieder erklären, berichtet sie. "Krieg in Europa und Israel. In so eine Welt möchte ich keine Kinder setzen. Außerdem wird alles teurer. Ich bin froh, wenn ich mich selbst versorgen kann", sagt Leonie. Ihre Freunde unterstützen sie bei ihrem Entschluss. Ihre Familie dagegen sei teilweise eher skeptisch. "Häufig hört man, der richtige Partner kommt noch. Lass den erstmal kommen und werde erstmal älter. Du bist noch so jung", erzählt sie.

Zahl der kinderlosen Frauen bundesweit bei 20 Prozent

Im bundesweiten Vergleich entscheiden sich im Norden mehr Frauen bewusst gegen eigene Kinder. In Schleswig-Holstein liegt die Zahl der kinderlosen Frauen bei 23 Prozent. Spitzenreiter ist Hamburg mit 29 Prozent. Jana Heuschkel von der Dualen Hochschule Gera-Eisennach hat im Rahmen einer Studie rund 1.100 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren zu den Gründen der Kinderlosigkeit befragt. Das Ergebnis: Für etwa 40 Prozent der befragten Frauen ist das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie einer der Hauptgründe für ein Leben ohne Kinder. "Aber die große Erkenntnis ist, dass die Gründe für viele Frauen eher persönlich sind. Sie haben vielleicht die Voraussetzung mit der Partnerschaft und ihrer finanzieller Situation - aber sie wollen einfach nicht, weil sie sich bewusst sind, dass Kinder viel Zeit einnehmen", so Heuschkel.

Leonie will sich sterilisieren lassen

Leonies Entschluss steht fest. Sie will sich sterilisieren lassen. Mit dieser Entscheidung fühlt sie sich aber häufig nicht ernst genommen. Auch nicht von ihrem Frauenarzt, der ihr direkt davon abgeraten hat. Dass der Sterilisationswunsch bei jungen Frauen in den Arztpraxen teilweise zur Seite geschoben wird, bestätigt auch Doris Scharrel, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Schleswig-Holstein. "Aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass eine Partnerschaft dann vorbei war und mit einem neuen Partner doch wieder ein neuer Kinderwunsch besteht. Und diese Situationen waren keine Einzelfälle in den Praxen", erklärt sie.

Adoption als Alternative zu eigenen Kindern

Sorge, dass sie ihren Entschluss bereuen könnte, hat Leonie nicht. Für sie sei die Sterilisation eher ein Schritt zur Selbstbestimmung und Freiheit von hormonellen Verhütungsmitteln: "Selbst wenn ich plötzlich doch noch einen Kinderwunsch bekommen sollte, dann kann ich immer noch ein Kind adoptieren. Viele Kinder auf der Welt wünschen sich doch ein liebevolles Zuhause". Eine Klinik für die Sterilisation hat sie in Hamburg schon gefunden. Diese führt den Eingriff bei Patientinnen ab 25 Jahren durch. Zwei Jahre wird Leonie also noch warten.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 03.09.2024 | 19:30 Uhr

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