Ethik-Experte zu gewollter Kinderlosigkeit: Es geht um Selbstbestimmung
Immer mehr Frauen entscheiden sich bewusst gegen Kinder. Oft müssen sie sich aber vielen Diskussionen stellen - auch mit Gynäkologen. NDR Schleswig-Holstein hat darüber mit einem Medizin-Ethiker gesprochen.
Wenn eine Frau sich bewusst gegen Kinder entscheidet, muss sie sich oft erklären. Auch der medizinische Weg zu einer Sterilisation ist oft schwierig, weil Ärztinnen und Ärzte den Eingriff oft nicht bei jungen Frauen durchführen wollen. Christoph Rehmann-Sutter ist Professor für Theorie und Ethik der Biowissenschaften an der Universität Lübeck. Er erklärt, warum es aus seiner Sicht wichtig ist, dass Frauen in ihrem Wunsch ernst genommen werden.
NDR Schleswig-Holstein: Immer mehr Frauen entscheiden sich bewusst gegen ein Kind. Ein Grund ist die Weltlage. Wie schätzen Sie es ein, dass Frauen mit einer so persönlichen Entscheidung darauf reagieren?
Christoph Rehmann-Sutter: Ich kann das zunächst gut verstehen, aus Sorge für das Wohl des Kindes. Auf der anderen Seite macht mich das auch betroffen, weil eine Frau vielleicht zu viel auf sich nimmt, das letztlich die Gesellschaft lösen müsste und nicht die Frau selbst.
Und die Frauen, wie die Protagonistin in unserem Beitrag, müssen sich auch sehr erklären, Diskussionen führen. Warum ist es nach wie vor in unserer Gesellschaft nicht wirklich akzeptiert, wenn eine Frau sagt: Ich möchte kein Kind?
Rehmann-Sutter: Vielleicht gibt es im Hintergrund immer noch so ein eine Idee, dass es zum Glück des Lebens vor allem von Frauen gehört, dass sie auch Kinder haben könnten. Also dass Kinderwunsch quasi als Bestandteil der weiblichen Rolle gesehen wird. Das ist sicher antiquiert, aber es steckt im Hintergrund drin und vor allem dann, wenn man das bei Männern ein bisschen anders sieht als bei Frauen.
Bedenken gibt es offenbar auch bei Frauenärztinnen und -ärzten. Rein rechtlich ist eine Sterilisation für jede Frau möglich, wenn sie volljährig ist. Aber viele Ärzte sagen, sie machen das nicht bei Frauen, die 25 oder 30 sind. Was ist deren Ermessensgrundlage?
Rehmann-Sutter: Die Frau, die wir gesehen haben, fühlte sich offensichtlich zur Seite geschoben von Gynäkologen und Gynäkologinnen, wenn sie solche Nachfragen stellten und ihre Entscheidung nicht ernst nahmen. Ich kann ein Stück weit verstehen, dass die Gynäkologie das nicht einfach so machen will. Weil es eben irreversibel ist und wirklich ein Eingriff, der auch nicht medizinisch im Sinne von gesundheitlich begründet ist. Dass die Medizin da nachfragt, um sicherzustellen, dass die Entscheidung wirklich wohlüberlegt ist. Aber darüber hinaus habe ich eigentlich wenig Verständnis aus ethischer Sicht für alle Ablehnung dieser Dienstleistung.
Frauen könnten argumentieren: Ein Kind zu kriegen ist ja auch irreversibel. Wie sehr geht es bei diesem Thema um Selbstbestimmung?
Rehmann-Sutter: Die Selbstbestimmung ist in der Medizin eigentlich im Zentrum heute. Die moderne Medizin baut auf der Selbstbestimmung der Patientin - und wenn sie hier nicht ernst genommen wird, ist das aus ethischer Sicht ein Mangel. Wie Sie sagen, ein Kind zu bekommen ist ebenso irreversibel und da fragt dann niemand.
Ich danke Ihnen sehr, Herr Rehmann-Sutter.
Das Gespräch führte NDR-Reporterin Eva Diederich.