Landwirtschaft unter Solarparks: Handewitt führt 20-Prozent-Quote ein
Um Landwirtschaft unter Solaranlagen zu betreiben, müssen die Gestelle wachsen. Das erhöht die Kosten, soll aber gut für die Natur sein. Die Gemeinde Handewitt will Vorreiter werden und fordert eine Quote von 20 Prozent für Agri-PV.
Auf den sandigen Geestflächen bei Ellund (Kreis Schleswig-Flensburg) nahe der dänischen Grenze wächst bisher hauptsächlich Mais, der in Biogasanlagen landet. Schon jetzt dienen viele Äcker gar nicht mehr der Lebensmittelproduktion, weiß Gerd Kämmer, der sich als Handewitter Gemeindevertreter (KWG) für die Agri-PV stark gemacht hat. Kämmer ist gleichzeitig der Naturschutzbeauftragte des Kreises Schleswig-Flensburg und bundesweit in Verbänden tätig.
Er weiß um die Vorteile von Photovoltaik: Die Solarmodule liefern im Vergleich zum Mais das 40-fache an Energie auf derselben Fläche, sagt er. Andererseits würden die 90 Hektar in Ellund-West auf Jahrzehnte der Landwirtschaft verloren gehen. Wenn ein Teil der Modulreihen nun höher als üblich montiert werden, sieht Kämmer gleich einen dreifachen Nutzen: Auf den Flächen kann wieder Nahrung entstehen, es nütze der Natur und nicht zuletzt bringen die Anlagen die Energiewende voran.
Solarmodule statt Mais
Das überzeugte die Gemeindevertreter, die im Oktober einstimmig für die Agri-PV-Quote in Handewitt von 20 Prozent stimmten, die damit auch im Ortsteil Ellund gilt. Die Gemeinde ist damit Vorreiter. Das Votum ist relevant: Die Großgemeinde am westlichen Flensburger Stadtrand will in den kommenden Jahren Freiflächen-Solaranlagen auf 350 Hektar ausweisen. Interessenten stehen bereits Schlange. "Wir waren in der glücklichen Lage, uns Investoren aussuchen zu können und Forderungen zu stellen", sagt Bürgermeister Thomas Rasmussen. Doch mit allzu großer Begeisterung nehmen diese die neue Vorgabe nicht auf.
Rendite sinkt, Risiko steigt - Bürgerbeteiligung weniger attraktiv
Die Kosten erhöhen sich auf den Agri-PV-Flächen um 100.000 Euro pro Hektar bzw. 0,5 Cent pro Kilowattstunde, stellt das Unternehmen SEA aus Sprakebüll fest, das den Solarpark Ellund-West entwickelt. Der hohe Pachtpreis lässt sich nicht drücken, denn die Vorverträge sind bereits geschlossen. Und beim Stromverkauf gilt der Marktpreis. Laut SEA lässt sich der gesamte Strom derzeit für etwa 6,5 Cent pro Kilowattstunde pauschal an Unternehmen verkaufen, die ihn dann für etwa zehn Jahre abnehmen.
Der Mehrpreis für die erweiterte Stahlkonstruktion senkt somit die Wirtschaftlichkeit. Davon hängt wiederum ab, inwieweit Banken bereit sind, Kredite zu geben. Auch die Gewerbesteuer für Handewitt, die der Solarpark generiert, sinkt. Und für die geplante Bürgerbeteiligung steigt das unternehmerische Risiko. Mit ihr sollen etwa 3,5 Millionen Euro der Gesamtinvestition von rund 50 Millionen Euro für den Solarpark Ellund-West finanziert werden.
Und obwohl die Handewitter mit ihrer Vorgabe von 1,40 Meter Modul-Unterkante für Agri-PV nicht besonders streng sind, hilft das den Betreibern nur wenig. Denn eine Förderung wäre nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erst ab einer Höhe von 2,10 Metern möglich. Doch damit wachsen auch die Kosten noch weiter.
Noch immer viele Hürden für Solarparks
Ohnehin sei der Weg zum Solarpark mit vielen Hürden versehen, klagen die Projektierer. Zwar sind Solarmodule inzwischen so günstig wie noch nie, sodass Solarparks auf Freiflächen ohne jegliche Förderung als konkurrenzfähig gelten. Zudem hat die Bundesregierung ein "überragendes öffentliches Interesse" für die Energiewende festgesetzt, das die Planungen beschleunigen soll. Für Ellund hat die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Schleswig-Flensburg aber gerade erst eine neue Brutvogelkartierung gefordert, obwohl für die direkte Umgebung solche Gutachten schon vorhanden seien, berichtet Projektierer Sven Scheele von SEA. Das verzögere den Bau jetzt um neun Monate.
Flaschenhals beim Netzanschluss absehbar
Eine Sonderregelung in einzelnen Kreisen verlangt zudem breite Schotterwege zwischen den Modulreihen für den Brandschutz. Auch das treibt die Kosten in die Höhe. Und nicht zuletzt sieht sich die Gemeinde Handewitt aus Kapazitätsgründen außer Stande, mehr als drei Bauanträge für Solarparks gleichzeitig zu bearbeiten, obwohl weitere Projekte gerne jetzt schon loslegen sollen. Der eigentliche Flaschenhals seien aber die Anschlüsse ans Stromnetz, gibt Bürgermeister Rasmussen zu bedenken. Auch deshalb drängt für SEA die Zeit. Das Unternehmen hofft, dass der Solarpark Ellund-West noch rechtzeitig vor dem abzusehenden Engpass einen Anschluss abbekommt. Die Agri-PV-Auflagen gehören vor diesem Hintergrund eher zu den kleineren Problemen.
Umweltminister Goldschmidt befürwortet Gemeindequote
Der landwirtschaftliche Ertrag fängt die Mehrkosten nicht auf, ist sich SEA sicher. Ackerbau wäre mit großen Geräten kaum machbar, schon gar nicht im nördlichen Schleswig-Holstein. Denn hier sei auch die höhere Windlast der Modulreihen zu berücksichtigen. Das bestätigt der Landesverband für erneuerbare Energien. Der LEE-SH sieht dafür allenfalls Chancen am Hamburger Rand, wo Gemüse- und Obstanbau anzutreffen sei. Schleswig-Holsteins Umwelt- und Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sieht den Handewitter Vorstoß dagegen positiv: "Es ist so, dass Photovoltaikanlagen vor allem auf versiegelten Flächen entstehen sollten und dort, wo sie auf freier Fläche entstehen, Flächen sparsam eingerichtet werden müssen." Er findet es auch sinnvoll, dass Gemeinden selbst die Solar-Planung übernehmen.
Schafe verboten
In Ellund werden voraussichtlich Gänse oder Hühner, vielleicht sogar Alpakas weiden. Schafhaltung hat die Gemeindevertretung explizit ausgeschlossen. Einzig dieser Punkt war im Planungsausschuss umstritten. "Schafe fressen zu selektiv," meint Kämmer. Damit könne sich keine Artenvielfalt entwickeln. Landwirte zu finden, die andere Tiere dort halten wollen, sei aber gar nicht so einfach, heißt es von SEA.
Alternative Möglichkeiten
Einen anderen Weg geht der Solarpark im Handewitter Ortsteil Weding. Dort drehen sich künftig die Module auf so genannten Trackern der Sonne hinterher. Diese lassen sich auch hochklappen. Hier könnten Futterpflanzen wie Klee wachsen, heißt es von der Gemeinde.
Fördergelder sind auch für die sogenannte "BioDiv-PV" in Aussicht. Der Begriff steht für Biodiversität, also Artenvielfalt. Über diese Sonderform wird in Handewitt bisher nicht gesprochen. Auch gelten die Flächen weiterhin als landwirtschaftlich genutzt, während sie bei herkömmlichen Solarparks derzeit als Gewerbeflächen eingestuft sind. Das hat steuerliche Vorteile für die Besitzer, wenn etwa eine Erbschaft ansteht.
Handewitt hofft dennoch auf Erfolg
Kämmer hofft, dass das Projekt Schule macht. Bisher gibt es in ganz Deutschland erst Agri-PV-Anlagen mit 16 Megawatt Leistung. Der Handewitter Anteil entspricht schon im ersten Schritt etwa dem Fünffachen. Falls sich kein Tierhalter findet, will Kämmer selbst einspringen. Denn er ist Vorsitzender der Genossenschaft Bunde Wischen, die Robustrinder auf extensiv genutzten Flächen weiden lässt, unter anderem im Stiftungsland bei Handewitt. Für den dritten Handewitter Solarpark im Ortsteil Haurup überlegt er bereits, Kälber unter den Modulen grasen zu lassen.