Kieler Förde: Autonome Fähre legt erstmals ohne Kapitän ab
Zum ersten Mal hat ein Katamaran in Kiel ohne menschliche Hilfe abgelegt. Die "MS Wavelab" soll den Grundstein für die autonome Schifffahrt auf der Kieler Förde legen.
Der November zeigt sich am Dienstag von seiner ungemütlichen Seite. Regenwolken und leichter Nieselregen ziehen über die Kieler Förde. An Bord der "MS Wavelab" und im Kontrollraum hat dafür kaum jemand einen Blick übrig. Hier steigt bei den Forschenden die Spannung, als zum ersten Mal die "MS Wavelab" ohne menschliche Hilfe ablegt. Gesteuert wird das Schiff aus den Räumlichkeiten der Anschütz GmbH in Kiel Wik.
Das Thema autonomes Fahren ist für viele Menschen nach wie vor mit Vorurteilen behaftet. Die Kontrolle abzugeben fällt oftmals schwer. Dabei ist das Konzept nicht neu. Bereits seit 1987 befördert die Docklands Light Railway (DLR) in London ihre Passagiere ohne Fahrer.
Der öffentliche Personennahverkehr soll reformiert werden
Auch auf der Kieler Förde könnte der selbstfahrende Katamaran bald zum Alltag gehören. Das Netzwerk für modernere Mobilität (CAPTN) aus Kiel hat sich zur Aufgabe gemacht, den öffentlichen Personennahverkehr sicherer, nachhaltiger und attraktiver zu gestalten.
Gemeinsam mit verschiedenen Kieler Forschungseinrichtungen arbeitet das Team bereits seit 2020 an dem Projekt. Im Juni ist die "MS Wavelab" zum ersten Mal in ihrem Heimathafen, dem gesicherten Marine Arsenal in Kiel, angekommen. Seitdem hat sich das Forschungsteam mit dem Katamaran vertraut gemacht und sich auf die bevorstehende Arbeit gefreut: Das Erforschen der autonomen Schifffahrt auf der Kieler Förde.
Das 21 Meter lange Forschungsschiff ist mit circa 20 Kameras ausgestattet, welche die Bilder in Echtzeit in das Kontrollzentrum übertragen. Dort soll eine neu entwickelte Software eigenständig Hindernisse erkennen und die Bedingungen vor Ort, wie Wetter und Wellengang, einschätzen lernen.
In der Wintersaison sollen weitere Testfahrten stattfinden
In den Wintermonaten soll der Testbetrieb vertieft werden. "Wir nutzen die ruhigeren Wintermonate, um wichtige Daten zu sammeln und uns mit dem Schiff vertraut zu machen", so Gerald Immens, der als Kapitän an Bord ist, um im Ernstfall eingreifen zu können.
"Heute Nacht findet die erste Fahrt in Dunkelheit statt, um die Kameras zu testen. Aktuell sind wir über Zoom mit dem Kapitän des Schiffes verbunden, der im Notfall eingreifen kann", erklärt uns Nautiker Volker Wenzel, der das Schiff mit einem Joystick aus dem Kontrollzentrum steuert.
Grüner Antrieb für die "Wavelab"
Angetrieben wird die "Wavelab" mit einem rein elektrischen Antrieb, der seine Energie aus Akkus und künftig aus einer Brennstoffzelle beziehen soll. Die Brennstoffzellen sollen dann mit grünem Wasserstoff aus Schleswig-Holstein betrieben werden.
Die Erforschung der autonomen Schifffahrt ist als Langzeitprojekt angelegt. Zwar existieren bereits einige Initiativen, die sich mit dem Thema der selbstfahrenden Personenfähre beschäftigen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind dafür jedoch noch nicht geschaffen.
"Dieses Forschungsprojekt liefert ein wichtiges Element für die Realisierung eines zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehrs. Nur wenn wir schon jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, gelingt eine zeitnahe Mobilitätswende", sagt Dr. Wiebke Müller-Lupp, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Wissenschaftszentrum Kiel (WiZe).
Sicherheit ist ein wichtiges Thema
Die gewonnenen Daten liefern eine für das autonome Fahren wichtige Umfeldanalyse. Unbelebte Körper und andere Verkehrsteilnehmer zu erkennen haben die Systeme bereits vor dem Einsatz auf der Wavelab gelernt.
Der Testbetrieb des Forschungsschiffs findet bis Ende nächsten Jahres statt. Der gesetzliche Rahmen für das autonome Fahren auf dem Wasser muss erst noch geschaffen und entwickelt werden. Wann die Fähre also komplett ohne menschliche Unterstützung fahren wird, ist deshalb noch nicht abzusehen.