Haushaltssperre: Die Gemeinde Kisdorf steht still
Wegen fehlender Jahresabschlüsse ist die Gemeinde Kisdorf im Kreis Segeberg mit einer Haushaltssperre belegt - seit über zwei Jahren. Eine Weiterentwicklung der Gemeinde ist deshalb schwierig. Und: Die Staatsanwaltschaft Kiel hat Kisdorf auch im Fokus.
Dicht an dicht stehen die Feuerwehrautos im Gerätehaus der Feuerwehr Kisdorf. Die Türen der Wagen stoßen beim gleichzeitigen Öffnen gegeneinander. "Das entspricht schon lange keinen rechtlichen Ansprüchen mehr", seufzt Wehrführer Lars Lohse. Die vorgeschriebenen Duschen: nicht vorhanden. Stattdessen gibt es im Feuerwehrhaus Kisdorf ein einzelnes Waschbecken für 73 Kameradinnen und Kameraden. Einen Umkleideraum gibt es auch nicht, stattdessen stehen die Einsatzkräfte zum Umziehen eng gedrängt zwischen und hinter den Fahrzeugen. "Wenn da im Eifer des Gefechts mal einer den Rückwärts- statt den Vorwärtsgang einlegt, da will ich gar nicht drüber nachdenken", so Wehrführer Lohse.
Die Indizienlage ist eindeutig: Das Feuerwehrgebäude von 1951 ist viel zu klein, die Sanitäranlagen entsprechen schon längst nicht mehr den Standards und die Gemäuer sind außerdem marode. Es braucht ein neues, modernes Gebäude. "Die Pläne dafür gibt es jetzt seit sieben Jahren, aber das zieht sich wie Kaugummi", klagt Lars Lohse. Obwohl der Bürgermeister kein Geld für den Neubau zur Verfügung stellt, richtet der Wehrführer seinen Unmut nicht gegen die Gemeinde. "Die dürfen uns ja gar nichts geben, denen sind ja die Hände gebunden. Wir baden gerade alle die Fehler anderer aus."
Vorläufige Haushaltswirtschaft
'"Andere" - das sind in diesem konkreten Fall Rainer Löchelt und sein früheres Team. Der inzwischen verstorbene, frühere Leiter des Amts Kisdorf hat zwischen 2015 und 2020 keine Jahresabschlüsse der Gemeinden im Amt erstellt. Und seit die Kommunalaufsichtsbehörde vor gut zwei Jahren davon Wind bekommen hat, müssen alle neun Gemeinden im Amt mit einem vorläufigen Haushalt leben. Konkret bedeutet das, dass nur noch Geld für absolute Pflichtaufgaben wie die Abwasserentsorgung oder die Durchführung von Wahlen ausgegeben werden darf. Der Bau eines neuen Feuerwehrhauses gehört nicht in diese Kategorie.
Diese Teil-Haushaltssperre gilt so lange, bis alle nötigen Jahresabschlüsse nachgeholt wurden. Eine Menge Arbeit für die neue Amtsdirektorin Judith Horn, die in einem ersten Schritt auf Ursachenforschung gegangen ist. 2014 wurde eine neue Buchführung obligatorisch, der nötige Aufwand wurde deutlich größer. Im Amt Kisdorf entschied man sich scheinbar, diesen Mehraufwand nicht annehmen zu wollen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Unter der Leitung von Judith Horn konnten inzwischen immerhin die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2019 erledigt werden. "Die Aufarbeitung der Jahresabschlüsse erfolgt neben dem Alltagsgeschäft“, betont Judith Horn. Dass es nicht noch schneller ging, lag an einer schier unglaublichen Zahl von knapp 800 Fehlbuchungen, die während der Nacharbeit auffielen. Zeitweise stand sogar der Verdacht der Veruntreuung im Raum. "Erst im Dezember 2021 konnte nach erfolgreichen Recherchearbeiten zu den ausgewiesenen Differenzen mit Sicherheit festgestellt werden, dass es sich ausschließlich um Buchungsfehler handelte", sagte die Amtsdirektorin.
Nichtsdestotrotz ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter des Amtes. Grund dafür sind laut Oberstaatsanwalt Axel Bieler vermutete Unregelmäßigkeiten im Vergaberecht. Beim Versuch, die Jahresabschlüsse schnellstmöglich nachzuholen, hat sich das Amt wohl Hilfe bei einer externen Beratungsfirma geholt – und dabei den Auftrag nicht wie gefordert ausgeschrieben. Ob die Ankündigung von Amtsdirektorin Horn, zum kommenden Jahreswechsel alle notwendigen Jahresabschlüsse nachgeholt zu haben unter diesen Umständen eingehalten werden kann, scheint fraglich.
Leidtragende ist die Gemeinde
Wehrführer Lars Lohse und seine Mannschaft müssen also womöglich noch länger auf das dringend benötigte neue Feuerwehrhaus warten. Und auch weitere Lebensbereiche in der Gemeinde Kisdorf sind betroffen: Ein neuer Bauhof muss her, im Boden der Schul-Turnhalle sammelt sich Wasser, das Versammlungshaus der Landjugend ist baufällig. Besonders akut ist die Situation auch in der kommunalen Kita. Sie platzt mittlerweile aus allen Nähten, ursprünglich hätte schon im Sommer 2020 eine zusätzliche Kita eröffnet werden sollen. Stattdessen wurden jetzt Behelfsräume im Ortskern in Betrieb genommen - zwei Kita-Gruppen sind nun in der "Ole School" untergebracht. Dies aber auf Kosten der eigentlichen Mieter: Der Kinderschutzbund sowie der Sozialverband mussten dafür ihre Büros räumen.
Kein Einzelschicksal
Ein Einzelschicksal hat die Gemeinde Kisdorf mit der teilweisen Haushaltssperre übrigens nicht ereilt. Der Gemeindetag Schleswig-Holstein spricht von einer zweistelligen Zahl Gemeinden, die ebenfalls wegen fehlender Jahresabschlüsse kaum handlungsfähig seien. Grund dafür ist laut Gemeindetag neben der erschwerten Buchführung auch Personalmangel.