Gewalt gegen Frauen: Wie kann besser geschützt werden?

Stand: 13.09.2023 19:38 Uhr

Eine Frau wird in Kiel als Geisel genommen. Die Polizei kann sie befreien und einen Tatverdächtigen verhaften. Später wird klar: Der mutmaßliche Täter kannte das Opfer und hatte eigentlich ein Kontaktverbot. Katharina Wulf vom schleswig-holsteinischen Landesverband Frauenberatung erzählt im Interview, wie Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, besser geschützt werden können.

NDR SH: Es gab für den mutmaßlichen Täter nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Annäherungsverbot. Er durfte sich der Frau nicht nähern. Ist so ein Kontaktverbot ein stumpfes Schwert?

Katharina Wulf: Wir können zu dem Einzelfall ja wenig sagen, außer dem Offensichtlichen: Diese Frau war zu wenig geschützt. Und wenn wir jetzt erfahren: Es gab einen Kontakt- und Näherungsverbot, würde ich sagen, das ist natürlich eine der höchsten Maßnahmen, die wir in unserem Gesetz haben. Und dennoch ist es so, dass sich nicht alle Täter davon abschrecken lassen, sondern eben weiter die Frau belästigen, bedrohen, ihr auflauern. Stalking hat solche Züge, wo es dann auch zu Sachbeschädigungen kommt und wo die Frau einfach erheblich in ihrer Lebensführung eingeschränkt ist.

Laut Staatsanwaltschaft war es nicht möglich, ein Haftbefehl vor dieser jetzigen Tat zu erlassen. Welche Möglichkeiten gibt es denn sonst noch, Frauen zu schützen, wenn das Kontaktverbot manche offenbar nicht abzuschrecken scheint?

Wulf: Das Gesetz hat natürlich schon vorgesehen, dass es auch Übertretungen zu diesem Kontaktverbot geben kann. Das Problem ist, dass die Frauen immer in der Beweislast sind. Das heißt, die Frauen müssen zeigen: Hier habe ich wieder eine Nachricht bekommen; hier stand der vor meinem Fenster. Sie müssen die Polizei rufen. Und nicht alle Täter lassen sich erwischen. Die Beweislast liegt immer bei der Frau. Wenn sie es dann bei Gericht anzeigt, muss das Gericht erneut verhandeln. Und da das kein Eilverfahren ist, kann es Monate dauern. Und dann gibt es am Ende ein Ordnungsgeld oder etwas ähnliches, was natürlich den Täter auch wenig abschreckt. Wir appellieren deswegen immer, dass man wirklich höher in die Schublade greift, die das Gesetz bietet. Es gibt nämlich auch Ordnungshaft. Und wir wünschen uns natürlich, dass diese Fälle viel, viel schneller verhandelt werden, damit es die Täter abschreckt.

Das ist ja jetzt ein Extremfall, den wir jetzt hier besprechen. Wie alltäglich ist denn tatsächlich Gewalt gegen Frauen?

Wulf: Gewalt gegen Frauen ist alltäglich. Das ist jetzt vielleicht ein Extremfall, weil es eben zu einem großen Polizeieinsatz gekommen ist, weil es eine Entführung gab, weil es viel Öffentlichkeit gab durch die öffentliche Fahndung und auch durch die Instagram-Bilder, die rum gegangen sind. Aber diese Fälle von Gewalt und auch Strafanzeigen, Kontakt- und Näherungsverbote, die überschritten werden, die sind leider alltäglich. Das sind Hochrisikofälle in unseren Augen, wo wir einfach viel mehr drauf gucken müssen und schauen müssen: Wie können wir diese Frau schützen? Wie kann man die Schutzlücken schließen?

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Henrik Hanses für NDR Schleswig-Holstein.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 13.09.2023 | 19:30 Uhr

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