"Freie Dorfschule Lübeck": Pressekonferenz ja, Einblicke nein
Zahlreiche Kontrollen haben laut Bildungsministerium gezeigt, dass ein Großteil der Schüler und Lehrer der "Freien Dorfschule Lübeck" regelmäßig gefehlt hat. Nun hat die Schulleiterin eine Pressekonferenz abgehalten.
"Idyllisch" würde es wohl am besten treffen - dieser Flecken Erde ist für viele ein Wohntraum: Die Gutsanlage Mori im Nordwesten Lübecks gelegen, direkt zwischen Groß Steinrade und der Gemeinde Stockelsdorf (Kreis Ostholstein). Ein kleiner Weg führt durch ein Torhaus auf das Gut. Für die Eigentümer der 35 Einheiten ist dies ein Wohnprojekt mit besonderem Charme. Ein Mehrgenerationsprojekt, Altersruhesitz oder Wohninsel auf 3.600 Quadratmeter, umgeben von drei Hektar Natur. Bäume, Teiche, ein Bachlauf und Wiesen ringsherum. Eine Schule würde hier aber niemand auf den ersten Blick vermuten. Kein klassisches Schulgebäude weit und breit und auch kein Schulhof.
Aus dem Herrenhaus wird eine "Freie Dorfschule"
Die Schule gibt es aber - noch. Im denkmalgeschützten Herrenhaus von Gut Mori ist die "Freie Dorfschule Lübeck" untergebracht. 1333 wurde das Gut erstmals urkundlich erwähnt. Vor dem letzten Verkauf diente es lange als Senioren- und Pflegeheim. 2012 kaufte es eine Eigentümergemeinschaft, baute die Anlage modern und dennoch naturnah um und aus. Besonders das Herrenhaus stellte eine Herausforderung dar, der Dachstuhl und die Deckenbemalungen stammen aus dem 17. Jahrhundert.
Einblicke in die Schule werden nicht gewährt
Das Herrenhaus betreten Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte durch einen historischen Vorbau und gelangen in einen Rittersaal, in dem es zwar keine Rüstungen mehr gibt, dafür aber nach Auskunft des Bauherrn schwere Eichentüren, historische Wandgemälde und Stuck an den Decken. Links und rechts vom Rittersaal sind zwei kleine Appartements gelegen, eigentlich sollte hier betreutes Wohnen einziehen, doch dann bewarb sich erfolgreich der Träger der "Freien Dorfschule". Zeigen will uns die Schulleitung die Räume nicht. Vielleicht weil das nur 150 Quadratmeter große Erdgeschoss kaum Platz für 55 angemeldete Schülerinnen und Schüler und rund ein Dutzend Lehrkräften gleichzeitig bieten dürfte. Und auch die Kontrollen zeigen: Weniger als die Hälfte der Schüler und Schülerinnen und immer nur die zwei selben Lehrerinnen wurden hier angetroffen.
Lehrkräfte an der "Freien Dorfschule" seien Laien
Auf einer Pressekonferenz am Dienstagabend verlas die Schulleiterin ein Statement, erläuterte dabei, dass die Auffassungen von Präsenzpflicht unterschiedlich seien und gab offen zu, dass viele der Lehrkräfte eigentlich Laien seien, die sich um die Betreuung, Lerninhalte und Angebote für die Kinder kümmern würden.
Genehmigung und Schulgelder werden entzogen
Weil das zuständige Bildungsministerium in Kiel nun der "Freien Dorfschule" nach 14 Überprüfungen in nur zwei Monaten die Genehmigung und damit auch die Gelder für die sogenannte Ersatzschule entzogen hat, klagt nun der Träger, die Schulleiterin Andrea Buchholz. Das waldorfähnliche Schulkonzept sei schließlich genehmigt und der Online-Unterricht ausgeweitet worden. Ein Ministeriumssprecher bezweifelt jedoch, dass das Konzept und die Präsenzpflicht auch durchgehend angewendet wurden.
Und auch an der Darstellung, dass es je eine Lerngruppe vor- und nachmittags gebe, kommen Zweifel auf: Der Stundenplan weist nur einen Regelunterricht von 8 bis 13 Uhr auf. Anwohner berichten NDR Schleswig-Holstein, dass kaum jemand so früh erscheinen würde und schon gar nicht so eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern, nachmittags sowieso nicht. Zudem gebe es so manche Spannungen in der Gemeinschaft.
Bewohner der Gutsanlage äußern ihren Unmut
Nach der Schulleiterin geben auch zwei Elternvertreterinnen ihr Statement ab, nicht zu den Vorwürfen, sondern zu den Wohlfühlaspekten in einer freien Schule. Nachfragen der eingeladenen Pressevertreter werden aber von allen drei Frauen abgelehnt.
Dann ertönte eine helle Stimme aus dem Hintergrund: "Wacht endlich auf". Der Ausspruch richtete sich an die Schulvertreterinnen. Immer mehr Bewohner der Gutsanlage hatten sich während der Pressekonferenz im Innenhof zusammengefunden, machten ihrem Unmut über die Leitung der Schule Luft. Von "Verwahrlosung und Zerstörung der Außenanlage" bis zu "herrischem Verhalten" einiger Schulvertreter war die Rede. Keines der 14 Kinder, die auf der Gutsanlage wohnen, würden übrigens auf diese Schule gehen. Namentlich wollte niemand erwähnt werden und ob die Anwohner auch die Hinweise an die Schulaufsichtsbehörde geliefert haben, blieb im Unklaren.