Fehlplanung: Hochwasser in Wohngebieten
Ihren Garten betritt Irene Eggers nur noch in Gummistiefeln. Nach Regenfällen gleicht die Wiese vor ihrem Haus einer Schlammwüste. Verzweifelt watet die Witwe durch den Morast, sie hat Angst, das Wasser könnte auch in in ihr Haus eindringen. "Das staut hoch zu meinem Haus, von Jahr zu Jahr höher", so die Rentnerin aus Tellingsdtedt im Kreis Dithmarschen.
Früher war es hier mal trocken - bevor neben Irene Eggers Grundstück eine Siedlung gebaut wurde. Vor rund zehn Jahren begann die Erschließung des Neubaugebietes in der Nachbarschaft und damit verschwanden auch jene Wiesen und Gräben, über die Oberflächenwasser abgeleitet wurde. Offenbar eine Fehlplanung. Ein vom Gericht bestellter Gutachter bestätigt die Vermutung der ehemaligen Sozialarbeiterin: Das Neubaugebiet wirkt wie ein Damm, das Wasser kann nicht abfließen - und staut sich wie in einer Badewanne in Irene Eggers' Garten.
Regenwasser kann kaum noch versickern
Die Entwässerung von Wohngebieten stellt Planungsingenieure vor immer größere Herausforderungen. Durch die zunehmende Bebauung werden Flächen, in denen das Regenwasser versickern kann, rar. Die Folge: Überschwemmungen. "Das Thema Regenwasser wird beim Bauen in der Regel gerne unterschätzt. Insbesondere in einem Gebiet wie Schleswig-Holstein, wo die wasserwirtschaftlichen Voraussetzungen denkbar ungünstig für eine Bebauung sind, kann man da leicht Schiffbruch erleiden", sagt Umweltingenieur Stefan Paul.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) warnt vor den Gefahren. Durch den Klimawandel würden immer stärkere, dicht aufeinander folgende Regenfälle drohen, darauf müsse man reagieren: "Die Bauplanungen sind nicht auf die Wetterextreme ausgerichtet. Weite Versiegelungen, immer nur Asphalt und Beton ohne Versickungerungsmöglichkeiten bei Neubaugebieten, Parkplätzen, Gewerbegebieten, das ist letztlich asozial. Man muss sich überlegen, wo man die Häuser hinstellt."
Ob neue Gräben helfen, ist ungewiss
Für Irene Eggers kommt die Warnung zu spät. Trotz gerichtlicher Gutachten möchte die Gemeinde Tellingstedt nicht glauben, dass das Neubaugebiet die Ursache für ihren überschwemmten Garten ist. Hilfe hat man ihr nun dennoch angeboten, offenbar halbherzig: Neue Gräben sollen an der Grundstücksgrenze ausgehoben werden, damit das Wasser besser ablaufen kann. Doch ob die helfen, ist ungewiss, das Gerichtsverfahren noch offen. Bevor sie zustimmt, will Irene Eggers genaue Planungsunterlagen sehen, denn das Vertrauen in die fachlichen Fähigkeiten der Gemeinde hat sie verloren.