Fahrt in Menschenmenge: Verteidiger streitet politischen Hintergrund ab

Stand: 03.07.2023 20:11 Uhr

Ein Mann soll 2020 nach einer Demonstration gegen die AfD mit seinem Auto in eine Menschenmenge gefahren sein. Seit Montag muss er sich deshalb vor dem Kieler Landgericht verantworten.

Im Prozess um eine Auto-Attacke auf eine Menschengruppe in Henstedt-Ulzburg hat der 22 Jahre alte Angeklagte am Montag umfangreich ausgesagt. Er gab die Tat zu und sagte, dass sein Verhalten falsch gewesen sei. "Ich kann den Betroffenen nur meine Entschuldigung anbieten", sagte er. Einen politischen Hintergrund der Tat stritt sein Verteidiger aber ab.

Der Vorfall hatte sich am Rande einer AfD-Veranstaltung ereignet, die Opfer waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Gegendemonstration. Der Angeklagte sagte vor Gericht, er sei zum Zeitpunkt des Vorfalls AfD-Mitglied gewesen, mittlerweile aber nicht mehr in der Partei.

Angeklagter: Von vermummter Gruppe verfolgt

Laut Anklage soll sich die Situation zwischen AfD-Anhängerinnen und Anhängern sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration nach der Parteiveranstaltung aufgeheizt haben. Um Konflikte zu vermeiden, sei der Beschuldigte gebeten worden, sich mit seinen Begleitern zu entfernen. Daraufhin soll er sich in sein Auto gesetzt und langsam losgefahren sein, dann aber beschleunigt haben.

Der Angeklagte gab an, dass er und seine Begleiter sich damals von den Gegendemonstrantinnen und -demonstranten verfolgt gefühlt hätten. Eine schwarz vermummte Gruppe sei ihnen zu den Autos nachgelaufen und habe einen seiner Freunde angegriffen. Deshalb habe er Panik bekommen. Was dann genau passierte, konnte der 22-Jährige nicht mehr genau sagen. Er erinnere sich nur noch an zwei "Wumms"-Geräusche.

Neben dem Tathergang ging es den Richterinnen vor allem auch um die politische Einstellung des Angeklagten. Durch am Montag vorgelesene Chatnachrichten und Social-Media-Kontakte wurde deutlich, dass er damals mit der rechten Szene mindestens sympathisierte und mit seinen Freunden bei der Demo war, um den politischen Gegner - also die linken Demonstranten - zu beobachten, wenn nicht sogar zu provozieren.

Anklage auch auf versuchten Totschlag

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, am 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) sein Auto absichtlich auf den Gehweg gelenkt zu haben und und mit einer Geschwindigkeit von 25 bis 35 Kilometern pro Stunde ungebremst in eine Menschengruppe gefahren zu sein. Mehrere Menschen wurden verletzt. Der damals 19-Jährige habe dabei in Kauf genommen, dass die von ihm angefahrenen Menschen auch tödlich verletzt werden könnten, so die Staatsanwaltschaft. Die Anklage lautet deshalb auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.

Vor dem Landgericht Kiel demonstrieren Menschen gegen rechte Gewalt. © dpa-Bildfunk Foto:  Frank Molter
Vor dem Landgericht gibt es am Montag eine Demo gegen rechte Gewalt.

Vor dem Landgericht Kiel demonstrierten am Montag rund 100 Menschen gegen rechte Gewalt. Wegen des großen Interesses hat das Gericht zusätzliche Wachleute im Einsatz. Ein Urteil soll im Oktober fallen.

Weitere Informationen
Hinter Absperrband steht ein silbernes Auto sowie Rettungswagen mit Blaulicht und Polizisten. © NDR

Prozessstart nach Fahrt in Menschenmenge in Henstedt-Ulzburg

Im Herbst 2020 war ein 19-Jähriger nach einer Demo gegen eine AfD-Veranstaltung in eine Menschengruppe gefahren. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 03.07.2023 | 12:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Kreis Segeberg

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Boote der 49er FX-Klasse sind zum Start bereit bei einer Wettfahrt im Rahmen der Kieler Woche auf der Förde vor Schilksee. © picture alliance/dpa Foto: Frank Molter

Olympia 2036 oder 2040: Kiel bewirbt sich um Segelwettkämpfe

Die Landeshauptstadt will zum dritten Mal Austragungsort werden. Neben Schilksee sollen neue Reviere dazukommen. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?