Dubai: Norddeutsche kämpft um ihren Sohn
Eine Prinzessin sei sie, mit einem reinen Herzen und Wesen, wie ein Engel. Der schönste Mensch, den er jemals gesehen habe. Sie verdiene es, auf Händen getragen zu werden. Er wolle sie wie seinen Augapfel behüten - mit diesen Worten umwirbt der Ägypter Mohamed R. die Hotelangestellte Katharina D.
"Du bist die Frau, die ich einmal heiraten werde"
Die junge Frau aus dem niedersächsischen Uelzen ist erst vor ein paar Wochen nach Dubai gezogen. Dort leitet sie die Bar im Radisson Hotel. Der Anwalt Mohamed R. kommt öfter in die Bar, er hat in der Nähe geschäftlich zu tun. Schon bei der ersten Begegnung mit Katharina D. sagt er: "Du bist die Frau, die ich einmal heiraten werde." Katharina lächelt diese Annäherung zunächst professionell weg, doch Mohamed lässt nicht locker, besucht sie von nun an regelmäßig bei der Arbeit. Er meine es ernst mit ihr. Schließlich lässt sie sich auf ein Treffen ein. "Ich war überrascht, wie gut wir uns unterhalten konnten, stundenlang gingen wir spazieren. Er war sehr westlich eingestellt. Schon bald verliebte ich mich in diesen aufmerksamen und einfühlsamen Mann."
"Wir haben uns so für Katharina gefreut"
Nach wenigen Monaten wird sie schwanger. Beide freuen sich über die Nachricht. Auf einem Heimaturlaub in Deutschland hält er in Hamburg um ihre Hand an. Katharina sagt: "Ja." Sie heiraten im Kreise der Familie in Neumünster. Ihre Eltern mögen den fürsorglichen Mann. "Er war unheimlich zuvorkommend, hat uns sehr respektvoll behandelt und sich gleich in die Familie eingefügt. Wir haben uns so für Katharina gefreut. Sie hätte so glücklich werden können", sagt ihre Mutter Elena D. Als der gemeinsame Sohn Rayan in Deutschland zur Welt kommt, scheint das Glück perfekt.
In Dubai ist plötzlich alles anders
Zusammen reist die kleine Familie zurück nach Dubai. Doch sofort nach der Ankunft wandelt sich Mohamed R. Er nimmt Katharina die Pässe für sie und den Sohn weg. Auch ihre Bankkarte. "Du bist jetzt verheiratet. Jetzt passiert alles, so wie ich es will. Ich stelle als Mann die Regeln auf, wenn du nicht gehorchst, dann fliegst du wieder nach Deutschland. Aber ohne unsern Sohn. Der bleibt hier" - so erinnert sie sich an Gespräche mit ihrem Mann. Er verhängt eine Ausreisesperre für Rayan. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist dies möglich, hier entscheidet der Vater darüber, ob und wann das gemeinsame Kind ausreisen darf.
Katharina berichtet, wie sich das gemeinsame Leben veränderte: Sie habe sich ihm unterordnen müssen. Er verbot ihr, das Haus zu verlassen. Selbst den Müll durfte sie nicht in den Container vor der Eingangstür werfen. Falls sie die Wohnung doch verließ, hätten Nachbarn Mohamed R. dies gemeldet. Putzen, kochen, ihn glücklich machen, das habe ihr Lebensinhalt werden sollen. Den Kontakt zu Freunden und Familie unterband er. Wenn sich Katharina wehrte, habe er sie beleidigt und geschlagen. Sie sei nicht mehr wert als der Dreck unter seinen Schuhen, er würde sie am liebsten aus dem Fenster der Hochauswohnung schmeißen - so habe er sie beschimpft, während er sie an den Haaren durch die Wohnung geschleift habe.
Konsulat verweist auf geringe Einflussmöglichkeiten
Katharina berichtet ihrer Familie von ihrem Martyrium. Die versucht, im Februar dieses Jahres über das deutsche Generalkonsulat in Dubai Hilfe zu organisieren, die Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen. Erfolglos. Das Konsulat weist bislang auf seine geringen Einflussmöglichkeiten hin. Gegen den Willen des Vaters darf Katharina das Land nicht mit dem Sohn verlassen, so will es das Familienrecht in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch bei einer Flucht aus der gemeinsamen Wohnung könnten sie nicht helfen.
Hilfe durch Ehrenamtliche
Hilfe kommt erst durch Ehrenamtliche. Im Internet stößt Katharina im Mai auf den Hamburger Kaufmann John V. Schneider Merck, der seit 30 Jahren in Dubai lebt. Er hat den Verein "Hilfe für Deutsche im Ausland e. V." gegründet und unterstützt Deutsche in Not. Schneider Merck ist dem Konsulat seit Jahren bekannt. Seine Kontaktdaten hätten schon vor Monaten an Katharina vermittelt werden können, sagt er. Als er von dem Vorfall erfährt, organisiert er schnelle Hilfe. "Sie hat kein Geld, keinen Pass, keine Ausweise. Überhaupt, wenn sie allein aus der Wohnung flieht, dann steht sie mit dem Kind auf der Straße. An wen soll sie sich dann wenden?"
Schneider Merck handelt schnell. Er informiert Moritz Drucker, den Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Dubai. Gemeinsam organisieren sie die Flucht aus der Wohnung. Über Skype vereinbaren sie einen Termin mit Katharina, holen sie und das Kind aus ihrer Wohnung ab, nachdem Mohamed das Haus verlassen hat, um zur Arbeit zu gehen. Sofort erstattet Katharina Anzeige bei der Polizei wegen Misshandlung und beantragt beim zuständigen Familiengericht die Scheidung. Danach bringen die beiden Ehrenamtlichen Katharina und ihren Sohn zu einer deutschen Familie. Dort darf sie vorerst umsonst wohnen.
Frei, aber nicht sicher
Drei Tage nach dem ersten Kontakt mit Schneider Merck sind Katharina und ihr Sohn zwar frei. Doch sicher sind sie noch nicht. Mohamed R. sucht nach ihnen. Das Familiengericht verpflichtet Katharina, tägliche Gespräche mit Mohamed R. über Skype zu führen. Er habe gedroht, er wisse, wo sie wohnt. Er werde kommen und das Kind holen, erzählt sie. Immer wieder zieht Katharina um, dreimal in den vergangenen vier Wochen. Panorama 3 besuchte sie in einer ihrer Fluchtwohnungen. "Ich habe panische Angst, jeden Tag. Davor dass mein Mann uns findet und mir das Kind für immer wegnimmt." Sie hat weder ausreichend Geld für Essen noch, um eine Wohnung zu mieten. Ihre Eltern haben ihr bereits ihr Erspartes überwiesen. "Ich bin Altenpflegerin und mein Mann ist Rentner, wir würden gerne mehr helfen, aber wir haben schlicht keine finanziellen Mittel mehr", sagt ihre Mutter. Doch die Kosten sind hoch - vor Gericht kämpft Katharina für eine Aufhebung des Ausreiseverbotes und für das Sorgerecht ihres Sohnes. Ihr Scheidungsanwalt kostet rund 12.000 Euro. Ihr Mann streitet alle Vorwürfe ab.
Kein Einzelfall
Das Schicksal von Katharina und ihrem Sohn ist kein Einzelfall: Immer mehr Kinder in Deutschland stammen aus binationalen Ehen. Laut der zentralen Anlaufstelle für Kindesentführungen in Deutschland, dem Internationalen Sozialdienst, haben sich die Anfragen zu internationalen Sorgerechtskonflikten in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Demnach werden rund ein Drittel der betroffenen Kinder in arabischen Ländern festgehalten. Nur wenige kehrten nach Deutschland zurück.