Stand: 01.12.2014 17:08 Uhr

Travel Ban: Gefangen im Eldorado

von Lena Gürtler & Alexandra Ringling

Nach einer halben Stunde Autofahrt geht es für Jürgen Ziebell nicht mehr weiter. Dann steht er an der Grenze des Wüstenstaates Bahrain. Ein ölreiches Eldorado. Doch das Eldorado ist für ihn zum Gefängnis geworden. "Im Grunde ist man so ein bisschen wie gelähmt", sagt Ziebell.

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Was Ziebell lähmt ist ein Travel Ban - ein Ausreiseverbot. Telefonieren und Bloggen sind seine einzigen Kanäle nach Deutschland zu seinen Kindern und Freunden. Stundenlang sitzt er am Schreibtisch und skypt. Das kleine Appartement - ein Zimmer, Küche, Bad - ist seit zwei Jahren sein unfreiwilliges Zuhause.

Ausreisevebot in arabischen Staaten üblich

Ein Ausreiseverbot, ein sogenannter Travel Ban kann Ausländer in arabischen Staaten ganz schnell treffen. Streit mit dem Arbeitgeber oder unbezahlte Rechnungen reichen aus, um in den Ländern festgesetzt zu werden. Ziebells ehemaliger Arbeitgeber gerät 2012 in einen Rechtsstreit mit einem Kunden. Ziebell hat zu diesem Zeitpunkt zwar längst gekündigt, dennoch entscheidet ein Gericht ohne genaues Hinsehen: Er darf Bahrain nicht mehr verlassen.

Gefangen in Bahrain: Der Deutsche Jürgen Ziebell. © NDR
Kann nur via Skype Kontakt mit seiner Familie halten: Jürgen Ziebell.

Jürgen Ziebell hat keine Zweifel, dass er unschuldig aus dem Gerichtsverfahren entlassen werden wird: "Nur keiner kann mir sagen, wie lange das dauert." Erst durch die Sperrung seines Kontos erfährt Ziebell 2012, dass er unter Ausreiseverbot steht. Mittellos und verzweifelt sucht er Hilfe bei der Deutschen Botschaft in Bahrain. Doch die Reaktion dort: "Wir können nichts machen." Alles was man ihm gibt, ist eine Liste mit Anwälten. "Von denen hätte keiner unter 20.000 Euro auch nur einen Handschlag gemacht", sagt Ziebell.

Auch in Dubai stranden Deutsche

In Dubai steht Ronny Lindemann vor ähnlichen Problemen. Er arbeitet 2007 für eine deutsche Baufirma als Manager. Völlig unerwartet stellt die Firma die Arbeit ein. Dadurch kommt es zum Streit mit einem Investor. Ronny Lindemann ist als einziger Deutscher noch vor Ort und wird angezeigt. Kurz darauf verhängt ein Gericht den Travel Ban. Auch Lindemann erhebt Vorwürfe gegen die deutsche Vertretung: Das Generalkonsulat in Dubai habe weder Kontakt mit dem Ankläger noch mit dem Gericht aufgenommen, sondern schlicht behauptet, man könne ihm nicht helfen.

Lindemann lebt von Erspartem, hat Angst vor dem Gefängnis und versteckt sich mehr als ein Jahr im Hotel. Seine Eltern in Deutschland verkaufen alles, sogar ihre Eheringe, um ihren Sohn zu unterstützen. Auch sie kontaktieren das Generalkonsulat und die Botschaft. Ohne Erfolg. Lindemann weiß nicht mehr weiter: "Da war ich an einem Punkt angekommen wo ich dachte jetzt reicht‘s, ich kann nicht mehr, ich nehm mir das Leben."

Ein ehrenamtlicher Helfer springt ein

Hilft Deutschen Staatsbürgern bei Problemen in den Arabischen Emiraten: John Schneider-Merck. © NDR
Helfer in der Not: John Schneider-Merck.

Nach Monaten informiert die Botschaft dann John Schneider-Merck. Der Unternehmer aus Hamburg, lebt seit Jahrzehnten in den Emiraten und genauso lang kümmert er sich ehrenamtlich um Deutsche in Not. Er gewährt Lindemann kostenlose Unterkunft und Verpflegung - und arbeitet sich durch die Akten. Gegen die deutschen Auslandsvertretungen erhebt er schwere Vorwürfe: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass sich die Hilfe für Deutsche im Ausland darauf beschränkt zu sagen: Hier ist eine Liste von zwanzig Anwälten und dann sehen sie mal zu, wie sie weiterkommen."

Dabei könnten die Auslandvertretungen laut Gesetz mehr tun. Im Konsulargesetz steht: "Die Konsularbeamten sollen Deutschen, […] die erforderlicheHilfe leisten, wenn die Notlage auf andere Weise nicht behoben werden kann. […] Die Hilfe kann auch in der Gewährung von Rechtsschutzbestehen." Alles kann, nichts muss. Es fehlt eine klare Anweisung zu handeln im Konsulargesetz.

Auswärtiges Amt sieht keine Versäumnisse

Außenaufnahme des Schriftzuges am Gebäude des Auswärtigen Amtes in Berlin. © NDR
Alles richtig gemacht? Das Auswärtige Amt in Berlin.

Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linken haben eine Kleine Anfrage zum Schicksal von Jürgen Ziebell und anderen vom Travel Ban betroffenen Deutschen gestellt. Und auch Panorama 3 fragt beim Auswärtigen Amt nach. Dort sieht man kein Versäumnis. Man habe Ziebell "konsularisch betreut". Es habe mehrfach Gespräche mit Regierungsvertretern von Bahrain gegeben. Alle Möglichkeiten seien ausgeschöpft. Das letzte Gespräch hat allerdings vor fast einem Jahr stattgefunden.

Nachdem er sich Lindemanns Unterlagen genau angesehen hat, stellt John Schneider-Merck einfach eine Gegenanzeige. Nur drei Tage vergehen bis zum Urteil - und Lindemann ist frei. Dass es so einfach gehen könnte, hat ihm die Botschaft nie gesagt. Inzwischen lebt er wieder in seiner Heimatstadt. Anders sieht es bei Jürgen Ziebell aus: Ein Ende seines Verfahrens ist bislang nicht in Sicht. Bis dahin sitzt er weiter in Bahrain fest.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 02.12.2014 | 21:15 Uhr

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