Bahnhofswald-Prozess in Flensburg: Freispruch aufgehoben
Der Einsatz für den Klimaschutz kann einen Hausfriedensbruch rechtfertigen. So ließ sich der Freispruch eines Baumbesetzers im Bahnhofswald des Flensburger Amtsgerichts interpretieren. Doch dem hat das Oberlandesgericht nun widersprochen.
Wegen des geplanten Baus eines Hotels haben in der Nähe des Bahnhofs in Flensburg Anfang 2021 mehrfach Lieferwagen gebrannt. Bauzäune wurden niedergerissen und Baumbesetzer legten sich mit der Polizei an. Einer von ihnen wurde anschließend angeklagt und dann freigesprochen. Die zuständige Richterin begründete ihre Entscheidung mit dem "rechtfertigenden Notstand". Die Staatsanwaltschaft sah dies anders und legte Revision ein.
Nun hat sich der erste Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht mit dem Fall beschäftigt - und ist der Argumentation der Staatsanwaltschaft in Teilen gefolgt. Die Schleswiger Richter werteten das Urteil des Flensburger Amtsgerichts als lückenhaft. Der Schutz des Klimas sei nicht durch die Rettung eines einzelnen Baumes messbar, so die Begründung des Oberlandesgerichts. Demnach sei die Bejahung des rechtfertigenden Notstands nicht tragbar. Der Fall muss nun erneut vor dem Amtsgericht verhandelt werden.
Klimaschutz als Rechtsgut
Der Sprecher des Amtsgerichts, Stefan Wolf, erklärte zu dem gesprochenen Urteil der Richterin: "Die Richterin hat den Klimaschutz hier als Rechtsgut von Verfassungsrang mit dem Eigentumsschutz der Waldeigentümer abgewogen und dann entschieden, dass der Klimaschutz hier als Rechtsgut wesentlich überwogen hat und diese Tat des Hausfriedensbruchs in diesem konkreten Fall gerechtfertigt hat." In der Begründung verwies die Richterin auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2021, das die Gesetzgebung zum Klimaschutz als unzureichend bewertet hatte.
Hausfriedensbruch des Angeklagten wurde nicht angezweifelt
Es waren unruhige Wochen Anfang 2021, als mehrfach Lieferwagen der Hotelinvestoren brannten, Demonstranten Bauzäune niederrissen und sich die Baumbesetzer ein Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei lieferten. Vier Tage lang hatten Hundertschaften der Polizei das Gehölz umstellt, auf dem zwei Flensburger Unternehmer ein Intercity-Hotel bauen wollen, während einige Meter über dem Grund Demonstranten über Traversen balancierten. Einer der letzten, die dort ausharrten, war der 42-jährige Angeklagte. Von Oktober bis Februar hatte er die meiste Zeit in den selbst gezimmerten Baumhäusern verbracht. Deshalb musste er sich verantworten.
Betroffene Baustelle liegt weiter auf Eis
Hintergrund der Streitigkeiten im Bahnhofswald ist der geplante Bau eines Hotels. Nach der Räumung des Geländes wurde sofort gerodet, der Hotelbau jedoch erst ein Jahr später begonnen. Doch auch dann ruhte der Bau sofort wieder. Die Umweltorganisation BUND hat einen Baustopp erwirkt, der gilt, bis geklärt ist, ob die Investoren gegen Naturschutzauflagen verstoßen haben.