Asbest: Eine Million Tonnen lauern in Häusern in SH

Stand: 26.01.2024 14:27 Uhr

Gebäude sanieren, um sie klimafreundlicher zu machen: Das dürfte in den kommenden Jahren auf viele Eigentümer zukommen. Bei den Bauarbeiten könnte dann eine giftige Altlast ans Tageslicht kommen, die seit Jahrzehnten im Bestand schlummert: Asbest.

von Hauke von Hallern

Ein Blick genügt: "Ja, das ist eine Asbestverkleidung", sagt Mehmet Celik selbstsicher. Der Asbestsanierer wurde zu einer Baustelle in Timmendorfer Strand (Kreis Ostholstein) gerufen. Dort wird das Rathaus modernisiert. Der Hausmeister hatte schon eine Vorahnung, wollte auf Nummer sicher gehen und hat das Fachunternehmen beauftragt. "Sowas sehe ich sofort, wir machen ja fast nichts anderes", erklärt Celik. Die Asbestverkleidung ist unscheinbar: Glatte, weiße Platten, die an der Fassade verschraubt sind.

Die Gewerkschaft IG-Bau geht davon aus, dass in Gebäuden, die zwischen 1950 und 1990 entstanden sind, fast sicher das krebserregende Mineral zu finden ist. Betroffen sind in den Schleswig-Holstein demnach 431.000 Gebäude, vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser.

Eine Haussanierung wird durchgeführt. © IMAGO Foto: Jochen Tack
AUDIO: Asbest in bis zu 431.000 Gebäude in SH verbaut (1 Min)

Wird Asbest nicht bearbeitet, ist es oft ungefährlich

"Sie brauchen sich erstmal keine Sorgen machen, das ist festgebundener Asbest und hier draußen passiert sehr wahrscheinlich nichts", beruhigt der Asbestsanierer den Hausmeister. Fachleute unterscheiden unter anderem zwischen festgebundenem und schwachgebundenem Asbest. In festgebundenen Asbestprodukten ist das Mineral zum Beispiel in Zement zu finden, beispielsweise bei Eternit-Welldachplatten, die noch millionenfach auf deutschen Häusern verbaut sind. Der Asbest-Anteil ist niedrig und liegt zwischen 10 und 15 Prozent.

Schwachgebundene Produkte haben einen höheren Asbest-Anteil von mehr als 60 Prozent, verbaut zum Beispiel als Dämmaterial. Hier können sich die Fasern schneller freisetzen, als bei festgebundenem Asbest. Laut IG Bau lauern landesweit eine Million Tonnen Asbest im Bestand. Verbaut wurde der krebserregende Stoff unter anderem an Fassaden, in Zwischendecken, als Bodenbelag oder Dämmmaterial. Gefährlich ist das Asbest dort meist nicht. Erst wenn das Mineral bearbeitet wird, werden Fasern freigesetzt.

Fasern setzen sich tief in der Lunge fest

Wird das Mineral eingeatmet, setzen sich die Fasern tief in der Lunge fest und können dort für andauernde Entzündungen sorgen. Daraus kann Krebs entstehen. Bis das passiert, dauert es aber meist lange - 20 Jahre und mehr. "Es ist wichtig, dass sie hier erstmal nichts anfassen, nicht bohren, schleifen oder schrauben", erklärt Celik dem Hausmeister. "Ja, ich kenne das schon, das hatten wir schon öfter. Das Zeug steckt ja fast überall drin. Ich schreibe dann eine Rundmail an alle, die hier ein und ausgehen", meint der gelassen.

Asbest wird als natürliches Mineral aus Steinen gewonnen. Früher galt es als Wunderfaser: Asbest ist hitzebeständig, hat eine hohe Zugfestigkeit und ist gleichzeitig elastisch. Genutzt wurde es nicht nur im Bau. Asbest fand sich auch in Bremsscheiben, in Zahnpasta und sogar als Kunstschnee auf der Theaterbühne. Rennfahrer trugen Asbestanzüge, um sich vor Feuer zu schützen. Dass Asbest gefährlich sein kann, war lange nicht bekannt. In Deutschland ist es seit 1993 verboten, Asbest oder asbesthaltige Produkte herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu verwenden. In der EU gilt dieses umfassende Verbot seit 2005.

Sanierung ist teuer

Spezialisierte Handwerksbetriebe dürfen Asbest beseitigen. Mehmet Celik wird die Aufgabe im Rathaus in Timmendorfer Strand übernehmen. "Draußen ist es nicht ganz so aufwendig wie einen Innensanierung", erklärt er. Drinnen werde mit Unterdruck gearbeitet, damit die Fasern nicht entweichen. Deswegen brauche es zum Teil mehrere Schleusen. Die Arbeiter benötigen spezielle Masken, müssen regelmäßig Pausen machen und ihre Filter wechseln. "Danach muss der Raum gereinigt werden, damit sich die Asbestfasern nicht im Haus verteilen." Eine aufwendige Sanierung ist teuer, kostet für ein Einfamilienhaus schnell bis zu 30.000 Euro. Die IG Bau fordert deshalb eine Sanierungsprämie für Asbest-Häuser. Diese könnte über ein KfW Förderprogramm geschaffen werden, heißt es von der Gewerkschaft.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 26.01.2024 | 19:30 Uhr

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