Abgas-Skandal: Mercedes verliert vor Gericht in Schleswig
Mercedes Benz musste am Mittwoch am Verwaltungsgericht in Schleswig Niederlagen in vier Fällen einstecken. Der Autohersteller wollte verhindern, dass das KBA wichtige Unterlagen an Autobesitzer herausgibt.
Das Verwaltungsgericht in Schleswig hat am Mittwoch zwar nur vier Fälle behandelt, aber das Urteil könnte Tausende Autofahrer in Deutschland betreffen: Es ging um die Frage, ob das Kraftfahrtbundesamt (KBA) Rückrufbescheide an Autobesitzer, die vom Abgas-Skandal betroffen sind, herausgeben darf. Die Antwort des Gerichts fiel eindeutig aus: ja, das KBA darf. Diese Rückrufbescheide sind Dokumente aus den Jahren 2018 und 2019, in denen das KBA gegenüber Mercedes Benz den Rückruf von bestimmten Diesel-Fahrzeugen angeordnet - und auch begründet - hat.
Gericht: Veröffentlichungsinteressen überwiegen
Für das Gericht wiegen die Veröffentlichungsinteressen höher als die Geheimhaltungsinteressen von Mercedes Benz. Die zehnte Kammer des schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichts begründete ihr Urteil unter anderem mit der gesellschaftlichen und medialen Relevanz des Abgas-Skandals. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu überprüfen, ob das Kraftfahrtbundesamt die Einhaltung von umwelt- und klimaschützenden Gesetzen effektiv durchsetzt", heißt es vom Gericht. Mercedes Benz berief sich zuvor etwa auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen und personenbezogenen Daten.
Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Allerdings kann Mercedes Benz noch weitere Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig einlegen. Ein Berufungsverfahren würde die Herausgabe der Unterlagen an die Autobesitzer weiter verzögern. Experten vermuten, dass eben dieser Zeitgewinn das Ziel der Verfahren von Mercedes Benz ist. Für die betroffenen Autobesitzer könnten die Rückrufbescheide nämlich große Relevanz haben.
Bescheide enthalten technische Details
Rechtsanwalt Christopher Kress vertritt in Baden-Württemberg laut eigenen Angaben mehrere Hundert Autobesitzer in zivilrechtlichen Abgas-Skandal-Klagen gegen Mercedes Benz. Die Entscheidung über eine Herausgabe der Rückrufbescheide ist für ihn von zentraler Bedeutung: "Wir wissen, dass es die Manipulationen gab, das ist auch veröffentlicht. Was aber an einzelnen unzulässigen Abschaltvorrichtungen vorliegt, ist dagegen nicht veröffentlicht - und das können wir nur nachvollziehen, wenn die Rückrufbescheide in Gänze vorgelegt werden", sagt Kress.
Autobesitzer haben Dokumente angefordert
Bevor es zur Verhandlung in Schleswig kam, hatten in einem ersten Schritt vier Fahrzeughalter die Rückrufbescheide vom KBA eingefordert. Die Behörde hatte einer Herausgabe der dafür teilweise geschwärzten Dokumente unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz zugestimmt. Dagegen legte Mercedes Benz Widerspruch ein und verwies unter anderem auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen. Jetzt musste das Gericht entscheiden.
"Die Dimensionen kann man nicht zu gering einschätzen"
Das Ergebnis der Verhandlung in Schleswig sei für viele Autobesitzer relevant: "Das betrifft viele Tausend Fahrzeuge, weil die Motoren, um die es sich hier handelt - OM651 und OM622 - in zig Tausenden von Fahrzeugen verbaut wurden in den vergangenen Jahren. Das heißt, die Dimensionen kann man nicht zu gering einschätzen", sagt Rechtsanwalt Kress.
Rückrufbescheide sind noch nicht rechtskräftig
Es ist ebenfalls das Verwaltungsgericht in Schleswig, das über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Rückrufbescheide des KBA entscheidet. Auch dagegen klagt Mercedes Benz. Wann in diesem Verfahren eine Entscheidung ansteht, konnte die dritte Kammer des Gerichts auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein nicht genau beantworten. Es sei aber eines der nächsten Verfahren. Dann könnten unabhängig von möglichen Berufungsverfahren zwangsläufig Details über den Inhalt der Rückrufbescheide bekannt werden - und das Warten der vom Abgas-Skandal betroffenen Autobesitzer hätte ein Ende.