A23 ist nicht mehr auf der Prioritätenliste
In der Ampel-Koalition ist ein Streit um einen schnelleren Ausbau der Autobahn 23 zwischen Tornesch (Kreis Pinneberg) und Eidelstedt in Schleswig-Holstein ausgebrochen. Kritik kommt auch von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Weg für einen umstrittenen schnelleren Um- oder Ausbau bestimmter Autobahnprojekte in Deutschland frei gemacht. Die A23 ist allerdings nicht dabei. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, das Projekt "Ausbau A23" sei zunächst von einer Planungsbeschleunigung ausgenommen worden. Die Bitte dazu kam laut Wissing von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Diesem Wunsch habe er kurzfristig entsprochen, um nicht das gesamte Gesetzesprojekt zu gefährden.
Kubicki übt harte Kritik an Habeck und droht mit Konsequenzen
FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki warf Habeck ein "mieses Spiel" vor. Habeck falle der schwarz-grünen Koalition in Schleswig-Holstein in den Rücken, so Kubicki. Denn diese habe bereits zugestimmt, den Ausbau der A23 in den Katalog der Maßnahmen von "überragendem öffentlichen Interesse" aufzunehmen. Es sei "unverantwortlich", dass Habeck "dem Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein massiv schadet", erklärte Kubicki. Dennoch geht der FDP-Politiker davon aus, dass der beschleunigte Ausbau der A23 kommen wird. Im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein sagte Kubicki, das Autobahnprojekt werde im parlamentarischen Verfahren wieder auf die Liste der Bauprojekte kommen, die die Bundesregierung anschieben will. Sollten die Grünen sich weiter gegen den Ausbau der Autobahn sperren, drohte Kubicki mit massiven Konsequenzen. Die FDP werde dann Projekte der Grünen im Parlament blockieren.
Habeck: A23 war nie auf der 144er Liste
Die A23 habe nie auf der sogenannten 144er Liste der Projekte gestanden, auf dessen beschleunigten Ausbau sich die Ampel-Koalition geeinigt hatte, wies eine Sprecherin Habecks die Vorwürfe zurück. "Diese Liste war eine abschließende Liste und in dieser Liste war die A23 explizit nicht ausgewiesen." Auf das Problem habe das Wirtschaftsministerium rechtzeitig hingewiesen. "Allerdings wurde diesem Hinweis nicht entsprechend nachgegangen." Trotz des Hinweises aus dem Wirtschaftsministerium blieb das Projekt laut Sprecherin von der Auflistung ausgeschlossen. Kubicki müsse seine Kritik daher an Verkehrsminister Volker Wissing richten, da dessen Ministerium die Liste mit den 144 Projekten vorgelegt habe.
Günther spricht von unwürdigem Schauspiel
Kritik an der gesamten Debatte kommt von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Die Bundesregierung verspiele mit dem unwürdigen Schauspiel das Vertrauen in eine verlässliche Regierungsarbeit, so Günther. "Mir ist es am Ende egal, ob der Bundesverkehrsminister die A23 auf der Liste vergessen hat oder der grüne Wirtschaftsminister sein Veto eingelegt hat." Dieses Schwarzer-Peter-Spiel finde auf Kosten der Pendlerinnen und Pendler statt. "Im Ergebnis arbeitet die Ampel-Koalition gegen die berechtigten Interessen unseres Bundeslandes", kritisierte Günther. Mit der Ablehnung des A23-Projektes ist nun kein schleswig-holsteinisches Projekt mehr als überragend wichtig für die Bundesregierung eingestuft.
Rückschlag für Wirtschaft in SH
Die Unternehmensverbände Nord sprechen von einem weiteren Rückschlag für die Wirtschaft im Land. Ohne ein beschleunigtes Verfahren würden auch Klagen und Einwendungen nicht zurückgestellt, so Hauptgeschäftsführer Thomas Fröhlich. "Wir würden über Jahre hinweg zurückfallen bei Wohlstand, bei Arbeitsplätzen und es wäre für die Unternehmen ein Zeichen, dass sie diesen Standort SH in Frage stellen." Und der Präsident der Unternehmensverbände Nord, Philipp Murmann, sprach von einem "zweiten Tritt in das Schienbein für die Fortentwicklung des Landes."
Bereits der Weiterbau der A20 sei von der Bundesregierung ausgebremst worden. "Wenn beide Projekte politisch und letztlich auch juristisch zurückgestellt werden, wird die von dieser Landesregierung aufgestellte Ansiedlungsstrategie konterkariert und die Ansiedlung von Northvolt in Heide gefährdet." Wer Schleswig-Holstein zu einem attraktiven klimaneutralen Industriestandort machen wolle, dürfe das Land verkehrlich nicht abkoppeln, sagte Murmann. Der Unternehmensverband Logistik im Land schließt sich der Kritik an und appelliert an die Landesregierung, in Sachen A23 Druck in Berlin zu machen.
"Nicht wegducken und nach Berlin zeigen"
Der Chef des Unternehmensverbands Unterelbe-Westküste, Ken Blöcker, bezeichnet das aktuelle Verfahren als "unwürdig" und äußert für die Unternehmerschaft vollkommenes Unverständnis. Niemand könne bestreiten, dass eine der am stärksten belasteten Strecken hier einen Ausbau dringend brauche. Die Strecke sei seit Jahren und Jahrzehnten überlastet: "Wir Pendler und Unternehmen werden auch in den nächsten Jahren hier im Stau stehen", so Blöcker weiter: "Wir erwarten, dass das noch im Gesetzgebungsverfahren nachkorrigiert wird." Es gehe beim Ausbau der A23 nicht um einen Autobahn-Neubau sondern um den Ausbau einer bestehenden Autobahn. Außerdem zeige es auch, wieviel Einfluss die Landesregierung in Berlin habe - nämlich keinen. Kiel könne "sich nicht wegducken und nur nach Berlin zeigen."
Die A23 verbindet Heide (Kreis Dithmarschen) mit Hamburg. Sie soll zwischen Tornesch (Kreis Pinneberg) und dem Autobahndreieck Hamburg-Nordwest auf sechs Fahrstreifen erweitert werden.