Scholz ordnet an: Auch AKW Emsland soll vorerst weiterlaufen
Die drei deutschen Atomkraftwerke, die noch in Betrieb sind, sollen bis zum 15. April weiterlaufen - auch das AKW Emsland nahe Lingen. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag angeordnet.
Auf Basis seiner Richtlinienkompetenz ordnete der Kanzler an, die gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg sowie das AKW Emsland im niedersächsischen Lingen über den 31. Dezember hinaus zu betreiben. Längstens bis zum 15. April sollen die Atomkraftwerke demnach weiterlaufen. Das geht aus einem vom Bundespresseamt veröffentlichten Schreiben des Kanzlers an die zuständigen Minister hervor. Scholz weist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) darin an, dem Kabinett entsprechende Gesetzesvorschläge vorzulegen.
Streit in der Ampel über das AKW Emsland
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte nach einem Stresstest eigentlich nur die beiden süddeutschen Kraftwerke als Reserve am Netz lassen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte diese Entscheidung, das AKW Emsland wie geplant Ende Dezember vom Netz zu nehmen, begrüßt. Die Grünen hatten auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende ausgeschlossen, dass das Atomkraftwerk in Niedersachsen nach Jahresende weiterbetrieben wird. Die FDP dagegen beharrte darauf. Die Liberalen hatten angeregt, die Laufzeiten bis ins Jahr 2024 zu verlängern. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die Entscheidung von Scholz bei Twitter. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, lobte den Beschluss als "eine angemessene, pragmatische Lösung für Atomkraft". Die Grünen-Fraktion will beraten, wie sie mit der Entscheidung des Kanzlers umgeht.
Deutsche Umwelthilfe: Verstoß gegen Grundrechteschutz
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Entscheidung von Kanzler Scholz. Es sei unnötig und gefährlich, alle drei deutschen Atomkraftwerke weiterzubetreiben. So sei weder eine vorherige Sicherheitsüberprüfung geplant, noch solle die längst überfällige periodische Sicherheitsüberprüfung nachgeholt werden, teilte die Umweltorganisation mit. "Damit verstößt die Bundesregierung gegen den Grundrechteschutz, für den auch das Bundesverfassungsgericht bei der Atomkraft immer schon eine hohe Messlatte angelegt hat", sagte der DUH-Bundesgeschäftsführer. Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wird seiner Ansicht nach keinen nennenswerten Einfluss auf die Strompreise und den Gasverbrauch haben. Kritik kam auch von der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die auf die Gefahr von Atomkraftwerken im Falle eines Anschlags hinwies.
Was bedeutet Richtlinienkompetenz?
Nur in besonderen Fällen machen Bundeskanzler von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch. Mit seiner Entscheidung schafft Scholz einen Ausweg für Grüne und FDP, die sich mit unvereinbaren Positionen gegenüberstanden. Die Richtlinienkompetenz ist in Artikel 65 des Grundgesetzes verankert. Demnach bestimmt der Kanzler "die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung". Weiter heißt es dort: "Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung."