Kommentar zu Bischof Janssen: Tür verschlossen, Fall erledigt?

Stand: 17.10.2024 19:48 Uhr

Die Umbettung ist vom Tisch, der verstorbene Bischof Heinrich Maria Janssen bleibt in der Gruft des Doms - trotz der Missbrauchsvorwürfe gegen ihn. Ist der Fall damit erledigt? Florian Breitmeier kommentiert.

von Florian Breitmeier

Hildesheimer Bischöfe sollen künftig nicht mehr in der Gruft des Doms sondern auf dem Annenfriedhof bestattet werden. Bischof Heinrich Maria Janssen bleibt in der Gruft. Hinweise auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Bischof Janssen wird es geben - draußen vor der verschlossenen Tür. Frei nach dem Motto: "Porta clausa, causa finita". Die Tür ist verschlossen, der Fall ist erledigt. Aber ist das wirklich so? Die Betroffenen sexualisierter Gewalt sind mit ihrer Bitte bei Bischof Heiner Wilmer nicht entscheidend durchgedrungen. Ihre Forderung nach einer Umbettung von Bischof Janssen war am Ende zweitrangig – trotz vom Bistum als glaubhaft eingestufter Missbrauchsvorwürfe. Der Bischof hat in Übereinstimmung mit dem Domkapitel entschieden.

Bistum nennt Totenruhe und Angehörige als Argumente

Florian Breitmeier © NDR Foto: Christian Spielmann
Eine verschlossene Tür vor der Bischofsgruft wird die Diskussionen um Bischof Janssen nicht beenden, meint Florian Breitmeier.

In der Gruft soll es bleiben, wie es derzeit ist. Der Zugang bleibt der Allgemeinheit verschlossen. Bischof Janssen wird nicht umgebettet und auch die beiden anderen dort bestatteten Oberhirten Josef Homeyer und Joseph Godehard Machens bleiben. Aus Respekt vor den Totenruhe und auch aufgrund des Wunsches der Angehörigen der verstorbenen Bischöfe, wie es vom Bistum heißt. Merkwürdig nur, warum man im konkreten Fall nicht differenzierte.

Ein intransparenter Entscheidungsprozess als vertane Chance

So kann man schon fragen: Warum hätten alle Bischöfe aus der Gruft umgebettet werden sollen, wenn es doch nur gegen einen Missbrauchsvorwürfe gibt? Es gab wohl in der Diskussion auch die Überlegung, alle Bischöfe aus der Gruft umzubetten. Das hätten sich, wie man hört, neben Betroffenen auch ranghohe Würdenträger vorstellen können. Es kam nach monatelangen und intransparenten Beratungen anders.

Auf diesen Gedanken kam das Bistum nicht

Das Bistum erweckt in seiner Pressemitteilung den Eindruck, als habe es im Beratungsprozess das Schicksal Janssens mit dem der beiden anderen in der Gruft bestatteten Bischöfen verknüpft. Auf den Gedanken, Bischof Janssen wegen konkreter Missbrauchsvorwürfe aus der Gruft umzubetten und die beiden anderen Bischöfe dort weiterhin ruhen zu lassen, eben weil keine Missbrauchsvorwürfe gegen sie erhoben wurden, auf diesen Gedanken war man nicht gekommen oder wollte es am Ende nicht.

Gespräche mit Angehörigen der drei Bischöfe?

So nennt das Bistum ausdrücklich Angehörige von in der Gruft bestatteten Bischöfen, die sich gegen eine Umbettung ausgesprochen hätten. Ob sie sich gegen eine Umbettung ihres Angehörigen oder grundsätzlich gegen eine Umbettung aller Bischöfe ausgesprochen haben, bleibt offen. Es ist deshalb bemerkenswert, dass ein Sprecher auf NDR-Nachfrage sofort bestätigen kann, dass es von Bistumsseite Gespräche mit Angehörigen der Familie Machens gegeben habe. Ob es aber auch Gespräche mit Angehörigen der Bischöfe Janssen und Bischof Homeyer gab, und wer denn da konkret in welchem Verwandtschaftsverhältnis befragt worden sei, darauf konnte der Sprecher zunächst keine Antwort geben.

Umbettung von Bischöfen schon vor Jahren

Das zweite Argument des Bistums, das es sich näher anzuschauen lohnt, betrifft die Totenruhe. Diese gelte es zu respektieren, deshalb wolle man prinzipiell nicht umbetten. Allerdings wird nicht erwähnt, dass die Totenruhe der drei in der Gruft bestatteten Bischöfe nach dieser Logik schon vor rund zehn Jahren gestört wurde, als diese nach der umfassenden Domsanierung nämlich erst in der neugebauten Gruft bestattet wurden. Zuvor waren sie an anderen Orten beigesetzt.

Bestattung auf Annenfriedhof ein lobenswerter Schritt nach vorn

Niemand hatte damals die Umbettung übrigens als eine Art Richterspruch gegen beigesetzte Bischöfe bewertet, den das Bistum nun partout vermeiden möchte. Und wie gesagt: Bischof Machens und Bischof Homeyer hätte eine Umbettung zum jetzigen Zeitpunkt auch gar nicht betreffen müssen. Bischof Janssen hingegen schon. So verpasst das Bistum Hildesheim das klare Signal, dass es einen Unterschied macht, ob gegen einen Bischof von der Kirche als glaubhaft eingestufte Missbrauchsvorwürfe im Raum stehen oder nicht. Dass Bischof Janssen an einen unwürdigen Ort umgebettet worden wäre, kann man nicht sagen, schließlich sollen auf dem Annenfriedhof künftig alle verstorbenen Hildesheimer Bischöfe ihre letzte Ruhestätte finden. Dieser Entschluss ist ein lobenswerter Schritt nach vorn.

Bistum fehlt Mut für Wende in Erinnerungskultur

Eine verschlossene Tür vor der Bischofsgruft aber wird die Diskussionen um Bischof Janssen nicht beenden. Im Gegenteil. Die Tür im Bistum Hildesheim stand im Fall von Bischof Janssen sperrangelweit offen für eine beherzte und entschiedene Erinnerungskultur. Bischof Heiner Wilmer und die Mitglieder des Domkapitels hätten nur durchgehen müssen. Doch sie entschieden sich für die Variante: ein Schritt vor und zwei zurück.  Richtig voran geht es so nicht. Man bleibt sinnbildlich für den Fall Janssen: Draußen vor der Tür.

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Vor einer verschlossenen Gruft steht ein Hinweisschild. © NDR Foto: Anja Datan-Grajewski

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Hallo Niedersachsen | 17.10.2024 | 19:30 Uhr

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