Werden in Lingen bald russische AKW-Brennstäbe produziert?
Macht Frankreich mit Russland gemeinsame Sache in Lingen? Die französische Firma Framatome und ein russisches Unternehmen wollen im Emsland Brennstäbe für alte Atomkraftwerke russischer Bauart produzieren.
Dem niedersächsischen Umweltministerium liegt ein entsprechender Antrag auf Änderung der Produktion vor, wie ein Sprecher dem NDR in Niedersachsen auf Anfrage bestätigte. Demnach will die Framatome-Tochter ANF in Lingen sechseckige Brennstäbe fertigen, die für den Einsatz in osteuropäischen Atomkraftwerken sowjetischer Bauart vorgesehen sind. Das russische Unternehmen Rosatom besitze das Monopol für diese sechseckigen Brennstäbe, heißt es. Wegen des völkerrechtswidrigen Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine stehen russische Unternehmen und Privatpersonen allerdings auf der Sanktionsliste der Europäischen Union.
Umweltminister Meyer muss entscheiden
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) muss den Antrag genehmigen - oder ablehnen. Gegenüber dem NDR kritisierte der Umweltminister das Vorhaben. "Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich", sagte Meyer. "Dies durch Joint Ventures, direkte oder indirekte Beteiligungen Russlands zu verfestigen, halte ich politisch angesichts Putins brutalem Energiekrieg gegen Europa für fatal", so Meyer. Das Land setze sich gemäß des Koalitionsvertrags auch für eine Beendigung der Urananlieferungen aus Russland an die Brennelementefabrik in Lingen ein.
Genehmigung durch die Hintertür?
Wann das Umweltministerium über den Antrag entscheidet, ist derzeit noch unklar. Offenbar wollen Framatome und Rosatom eine Genehmigung durch die Hintertür forcieren. Zunächst hatten die Firmen in Lingen ein Joint Venture geplant. Nach Beginn des Ukraine-Krieges hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diesem Vorhaben jedoch einen Riegel vorgeschoben. Die Unternehmen nahmen den Antrag damals zurück.
Initiativen fordern politisches Veto aus Hannover und Berlin
Umwelt- und Anti-Atomkraft-Initiativen kritisieren das Vorhaben massiv. "Seit 13 Monaten führt Russland einen blutigen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Kreml-Konzern Rosatom ist daran durch die Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerkes Saporischschja unmittelbar beteiligt", sagt Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. "In Lingen werden aktuell die Energie-Fehler der Vergangenheit einfach wiederholt, von einer Abhängigkeit zur nächsten." In einer gemeinsamen Mitteilung von Bündnissen, Initiativen und Verbänden fordert Buchholz "dringend ein politisches Veto aus Hannover und Berlin".
Atomkraftgegner befürchten neue Uranlieferung aus Russland
Die Anti-Atomkraft-Aktivisten befürchten am Wochenende oder Anfang kommender Woche einen Urantransport nach Lingen. Ein russisches Uranschiff sei auf dem Weg nach Rotterdam, hieß es. Für den 15. April haben die regionalen Gruppierungen eine Kundgebung vor der Brennelementefabrik und eine anschließende Demonstration zum benachbarten Atomkraftwerk Lingen angekündigt.