Schimmel, Personalnot, Gewalt? Vorwürfe gegen Ameos Klinikum Osnabrück
Das Ameos Klinikum Osnabrück steht in der Kritik. Die Vorwürfe reichen von Personalmangel über schlechte Hygiene bis hin zur mutmaßlichen Verwahrlosung von Patienten. Ameos weist die Vorwürfe zurück.
Orientierungslos, nicht ansprechbar, das Gesicht grün und blau - so habe eine Angehörige im Juni 2024 ihren dementen Ehemann im Gerontopsychiatrischen Zentrum des Ameos Klinikums Osnabrück vorgefunden: "Ich war entsetzt, ich habe in dem Moment gedacht, ich muss sterben", erinnert sich die Frau, die nur anonym von ihren Erlebnissen erzählen will. Am Abend zuvor hätte sie ein Arzt angerufen und mitgeteilt, dass ihr Ehemann von einem Mitpatienten angegriffen worden sei.
Angehörige: "Ein Zahn war vollständig raus"
Er habe nur eine kleine Platzwunde, die nicht mal genäht werden müsse, sonst sei alles in Ordnung, erinnert sich die Angehörige an das Telefonat mit dem Arzt. Sie sorgt sich, fährt am nächsten Tag direkt ins Ameos Klinikum und findet ihren Mann mit offensichtlichen Verletzungen vor: "Im Mund war an der Innenseite eine offene Wunde, die geblutet hat und die ganzen Zähne verschmiert mit geronnenem Blut. Ein Zahn war vollständig raus und ein anderer war noch beschädigt", sagt sie. Dem NDR liegen Bilder vor, die die Verletzungen belegen.
Ameos lässt Fragen zum Vorfall offen
Fragen des NDR zu dem gewaltsamen Vorfall lässt Ameos unbeantwortet. Ein Interview wird abgelehnt, schriftlich teilt die Pressestelle auf Anfrage mit, man wolle "unmissverständlich klarstellen, dass wir zum Schutz der uns anvertrauten Menschen grundsätzlich keinerlei personenbezogene Informationen zu möglichen Patienten und Mitarbeitenden weitergeben." Dabei hatte die Ehefrau des Patienten der NDR-Anfrage zugestimmt, Ameos dafür auch von der Schweigepflicht entbunden.
Ameos: Auseinandersetzungen gehören leider zum Alltag
Ameos schreibt allgemein zur Frage nach Gewalt unter Patienten: "Auseinandersetzungen zwischen Patienten gehören leider auch zum Alltag in der Psychiatrie, da viele Erkrankungen mit Spannungen, Missverständnissen oder impulsivem Verhalten einhergehen können." Geschultes Personal sei jedoch durch regelmäßige Fortbildungen in Deeskalationstechniken und Supervisionen darauf vorbereitet, Konflikte frühzeitig zu erkennen und professionell zu lösen, um eine sichere und unterstützende Umgebung zu gewährleisten.
Ameos in der Region ein Maximalversorger
Das Einzugsgebiet des Ameos Klinikums Osnabrück reicht von Diepholz bis ins Emsland. Ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin als Maximalversorger. Vorwürfe gegen Ameos erhebt auch Detlef Assenmacher. 43 Jahre hat er als Pfleger in dem Klinikum gearbeitet. Erst im Landeskrankenhaus, seit 2007 für den Ameos Konzern. Assenmacher war mehr als 30 Jahre Betriebsrat, seit Kurzem ist er in Rente. Er erzählt von teils desolaten Zuständen, von Personalnot, Überlastung.
Assenmacher: "Urin und Kotgeruch auf den Stationen"
"Die Kollegen sind immer überlastet, weil es sind nie genügend Kollegen da, um vernünftig zu arbeiten", sagt der ehemalige Betriebsrat. Die Patienten würden auf den Geronto-Stationen nicht optimal gereinigt, gepflegt und ernährt. "Auf den Stationen selber riecht es immer nach Urin und Kot, weil so viele Patienten zusammen sind, die nicht sehr kontinent sind. Und es sind keine Leute da, die diese Sachen wieder in Ordnung bringen können", sagt Assenmacher. "Schmutzig und spartanisch", so beschreibt die Angehörige den Zustand auf der Station, auf der ihr Ehemann untergebracht war.
Mängelliste der Besuchskommission
Regelmäßig kontrollieren Besuchskommissionen die psychiatrischen Kliniken in Niedersachsen. Auch das Ameos Klinikum Osnabrück. Die entsprechenden Berichte gehen an den Psychiatrieausschuss des Landes. Aus Protokollen aus dem Jahr 2024, die dem NDR vorliegen, wird ein akuter Personalmangel auf unterschiedlichen Stationen deutlich, verbunden mit einer starken Unzufriedenheit des Personals. Die Mängel, die dort aufgeführt werden, betreffen außerdem auch die Hygiene und den baulichen Zustand unterschiedlicher Stationen.
Ameos lässt Fragen zu Hygiene und Gebäuden unbeantwortet
Dem NDR liegen außerdem Belege vor, die beispielsweise teils unbenutzbare Toiletten zeigen, sowie Schimmel, veraltetes Inventar, bröckelnden Putz. Auch der ehemalige Betriebsrat Detlef Assenmacher spricht von Hygienemängeln: "Die Patienten leben in Räumen, die mit Schimmel befallen sind. Die Mitarbeiter arbeiten in Räumen, die nicht sauber sind." Konkrete Fragen zu den baulichen und hygienischen Zuständen lässt Ameos unbeantwortet. Stattdessen eine allgemeine Antwort: Der gesamte deutsche Krankenhausmarkt sei "chronisch unterfinanziert".
Ameos schreibt von Kostensteigerungen und Fachkräftemangel
Die nicht auskömmliche Krankenhausfinanzierung sowie Kostensteigerungen in den vergangenen beiden Jahren, durch Inflation und Energiekrise, hätten die Situation für die Krankenhäuser deutlich verschärft. Auf Fragen zum Personalmangel schreibt Ameos: "Wie fast alle Gesundheitseinrichtungen in Deutschland stehen auch wir vor der großen Herausforderung, qualifiziertes Personal zu rekrutieren." Die Versorgung der Patienten sei "jedoch auch unter diesen Umständen stets gesichert."
Wird Ameos dem Auftrag gerecht?
Thomas Uhlen sieht das anders. Er ist CDU-Abgeordneter im Landtag, Mitglied im Psychiatrieausschuss und war bei mehreren Kontrollbesuchen im Ameos Klinikum Osnabrück regelmäßig dabei. Sein Fazit: Ameos werde seinem Auftrag nicht mehr gerecht, die Menschen gesund zu machen: "Man hat das Gefühl, dass die Patienten dort einfach aufgenommen werden, abgerechnet werden, wieder auf die Straße gesetzt werden."
Patientenakte angefordert
Die Angehörige, die anonym bleiben möchte, hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet und prüft rechtliche Schritte gegen das Ameos Klinikum Osnabrück. Ihr Mann wurde auf ihren Wunsch hin nach den Vorfällen dort entlassen, lebt heute in einem Seniorenheim. Sein Aufenthalt bei Ameos habe vor allem Misstrauen hinterlassen. Sie fordert Aufklärung und eine Veränderung, damit andere nicht das Gleiche erleben müssen.