Zufluchtsort "Dorf Wangerland": Die ersten Geflüchteten sind da
Maximal 400 Geflüchtete sollen im Feriendorf "Dorf Wangerland" im Landkreis Friesland untergebracht werden. Das Land hat die Anlage für 24 Monate gemietet. Jetzt sind die ersten angekommen.
Es ist 11.15 Uhr, die Sonne scheint. In der Ferienanlage in Hohenkirchen herrscht emsiger Betrieb: Sicherheitspersonal steht an der Schranke, die Rezeption ist voll besetzt. Dann fährt ein großer, weißer Reisebus vor. Aus dem steigen keine Urlauber aus, sondern Geflüchtete. 38 Menschen aus Kolumbien, Afghanistan, der Türkei. Ausschließlich Familien. Eine davon: Ronahi und Velat aus der Türkei.
Familie ist mit Folter gegen die Ehe vorgegangen
Die beiden haben in der Türkei geheiratet - gegen den Willen ihrer Familien. Das führte zu Ärger, vor allem für die Frau - Ronahi. Ihren Job als Krankenschwester konnte sie nur noch unter Beobachtung ausüben. Sie wurde zur Arbeit gefahren und wieder abgeholt, konnte sich kaum noch frei bewegen. Die beiden berichten von Folter: Zigaretten seien auf Ronahis Körper ausgedrückt worden. Mit körperlichen Schmerzen wollten die Familien gegen die Ehe vorgehen. Das Paar flieht. Erst nach Istanbul, dann weiter nach Deutschland.
Ronahi und Velat fühlen sich im "Dorf Wangerland" vorerst sicher
Hier fühlt sich das junge Ehepaar sicher - erstmal. Denn für Europa bekämen ihre Familien kein Visum. Außerdem ist das "Dorf Wangerland" geschützt. Sicherheitspersonal kontrolliert genau, wer rein und raus will. Und: Informationen über Einzelpersonen gibt die Hausleitung nicht heraus, weil viele hier vor Familienmitgliedern auf der Flucht sind. Trotzdem wissen Ronahi und Velat: Wenn ihre Familien ein Visum für Deutschland bekommen, werden sie die beiden finden. Davor haben sie Angst.
"Am Anfang war es unter der Gürtellinie"
1.800 Menschen leben in Hohenkirchen. Ist die Notunterkunft voll besetzt, kommen 400 Geflüchtete dazu. Das macht mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus. Wangerlands Gemeindebürgermeister Mario Szlezak hat deshalb aber keine Bauchschmerzen. Denn mittlerweile sei die Stimmung in der Gemeinde gut. Anfangs habe der SPD-Politiker jedoch heftigen Gegenwind gespürt.
"Am Anfang war das teilweise echt heftig unter der Gürtellinie. Wie man das so kennt: So Stammtischparolen. Das hat sich total geändert." Mario Szlezak, SPD, Bürgermeister der Gemeinde Wangerland
Geflüchtete haben verschiedene Gründe zur Flucht
Erwartungen an Deutschland haben zumindest Ronahi und Velat aus der Türkei kaum. Sie wollen einfach zusammen sein. Und ein gesundes Kind zur Welt bringen. Denn Ronahi ist schwanger. Im September soll das Baby kommen.
Fluchtgründe sind vielfältig. Das wird im "Dorf Wangerland" schnell klar. Manche sind vor Bürgerkriegen geflüchtet, andere vor dem kolumbianischen Drogenkartell. Und Ronahi und Velat sogar vor ihren eigenen Familien.