Kreidesee Hemmoor: Ein gefährliches Revier für Taucher?
Der Kreidesee im Landkreis Cuxhaven ist eines der beliebtesten Tauchreviere Deutschlands. Doch immer wieder verunglücken Menschen bei Tauchgängen in dem klaren, tiefen See. Woran liegt das?
Der jüngste Todesfall ist gerade mal eine Woche her. Am vergangenen Sonntag starb ein 50-jähriger Mann aus Wilhelmshaven beim Tauchgang in Hemmoor. Der See im Stadtteil Warstade ist 60 Meter tief und bietet viele Attraktionen unter Wasser. Gute Sicht, weil das Wasser wenig Nährstoffe hat und dadurch wenig Algen wachsen. Der See zeugt auch von mehr als einem Jahrhundert Zementabbau. Die Fabrik wurde 1986 abgerissen. Über die Jahre entwickelte sich der See zur Attraktion. Er zieht Menschen aus aller Welt an.
Betreiber der Tauchbasis: Kreidesee ist nicht der Grund
Dass die Gefahr für Taucherinnen und Taucher hier aber größer sei als anderswo, das sieht Holger Schmoldt nicht so. Er ist Betreiber der Tauchbasis in Hemmoor. Der See sei nicht der Grund, sagt er. Er hat beobachtet, dass die Menschen immer häufiger schlecht ausgebildet ins Wasser gehen. Manche hätten auch Vorerkrankungen. Selbstverständlich sei jeder Todesfall einer zu viel, sagt der ehemalige Polizeitaucher. Vergleiche man allerdings die weltweite Unfallstatistik unter Tauchenden, dann müssten statistisch gesehen in Hemmoor noch mehr Menschen zu Schaden kommen.
Jedes Jahr gibt es 35.000 Tauchgänge im Kreidesee
Seine Forderung: Eine bessere Ausbildung und strengere Richtlinien - vor allem bei den US-amerikanischen Tauchverbänden. Die stellten aus wirtschaftlichen Gründen "eher anspruchslose Prüfungsbedingungen", sagt er. Der Hemmoorer Kreidesee verdiene jedenfalls nicht den Ruf eines "Todessees". Die Akzeptanz unter Sporttauchern beeinträchtigt das alle ohnehin kaum. Jedes Jahr werden hier 35.000 Tauchgänge gezählt.
Chronik schwerer Tauchunfälle am Kreidesee
Der NDR Niedersachsen hat die Polizeiinspektion Cuxhaven um eine Liste der Zwischenfällen am Kreidesee der vergangenen fünf Jahre gebeten. Sie verzeichnet Notrufe, Notfälle und Todesfälle.
2022
- Beim Notaufstieg in acht Metern Tiefe Probleme bekommen. Verstorben nach erfolgloser Reanimation
- Tauchunfall am vergangenen Wochenende. Vermisster wird nach etwa 45 Minuten tot geborgen
2021
- Taucher verunfallt wegen Vereisung des Atemreglers - nicht lebensbedrohlich, muss aber ins Krankenhaus
- Vermisstenmeldung (war beim Aufstieg nicht dabei), Person meldet sich später - unverletzt
2020
- Taucher hat bei kontrolliertem Aufstieg Probleme und steigt aus etwa 16 Metern Tiefe zu schnell auf - wird mit Helikopter zur Druckkammer geflogen
- Tauchlehrer klagt beim Auftauchen über verschiedene Beschwerden, wird mit Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht
2019
- Taucher erleidet in 40 Metern Tiefe Panikattacke, unkontrollierter Aufstieg mit Tauchlehrer. Beiden müssen ins Krankenhaus
- Taucher signalisiert in zehn Metern Tiefe Probleme, kippt nach hinten weg. Verstirbt, Todesursache ungeklärt
- Taucher erleidet in 22 Metern Tiefe Rückenschmerzen, beim Auftauchen bewusstlos. Muss reanimiert werden
2018
- Kreislaufprobleme nach dem Tauchgang. Verletzt sich an Land und wird vor Ort versorgt
- Drei Personen müssen nach Notaufstieg versorgt werden, Sauerstoffflaschen waren vereist
- Todesfall. Person war gemeinsam mit drei weiteren Tauchern aufgestiegen und plötzlich in die Tiefe gesunken
2017
- Panikattacke in 30 Metern Tiefe - Person wird mit 80-prozentigem Sauerstoff behandelt und ins Krankenhaus gebracht
- Vermisstenmeldung. Person ist bei Notaufstieg nicht dabei, meldet sich später - unverletzt