Schulfach Glück: Unterricht gegen Stress und Leistungsdruck
Heute ist Tag des Glücks - am Gymnasium Limmer in Hannover steht Glück sogar auf dem Stundenplan. Die Schüler lernen dabei ihre Stärken kennen und mit Herausforderungen umzugehen - wichtige Eigenschaften für das Berufsleben.
25 Schülerinnen und Schüler, alle um die 14 Jahre alt, sitzen im Kreis nebeneinander. Die Augen geschlossen, die Hände gefaltet. Ihre Lehrerin Tran Bich Thao leitet sie durch eine Meditation: "Wir machen heute eine Traumreise. Dafür sitzt ihr ja jetzt ganz bequem und entspannt." Jede Unterrichtsstunde im Fach "Glück" beginnt mit einer Achtsamkeitsübung. Das ist hier eine Methode, um den Schülern das Glücklichsein näher zu bringen. Es geht dabei um Ruhe und darum, in stressigen Situationen gelassen zu bleiben: "Wir benutzen auch bestimmte Atemübungen, womit man im Alltag gut runterkommen kann oder andere Menschen besser verstehen kann", sagt die 16-jährige Emilia Lakysha Del Rosario.
Glück an der Schule: Das lernen die Schüler
Nach der Achtsamkeitsübung blicken die Schüler die Inhalte der vergangenen Stunde zurück und besprechen, was sie daraus für sich mitnehmen können, über die Schule hinaus. Danach werden gemeinsam Themen erarbeitet. Heute sprechen die Schüler zum Beispiel über Glück in anderen Ländern. Der Unterricht baut auf fünf Säulen auf:
- Eigene Stärken erkennen
- Herausforderungen annehmen
- Glück teilen
- Verantwortung übernehmen
- Gefühle und das Glück in sich wahrnehmen
Das Leben selbst in die Hand nehmen
Das Schulfach Glück ist ein Wahlpflichtfach, das die Schüler von der achten bis zur zehnten Klasse belegen können. Den Lehrkräften ist dabei wichtig, den Schülern Methoden beizubringen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie sollen Verantwortung übernehmen und lernen, mit Stress umzugehen. Das Fach Glück bereite sehr gut auf das Leben nach der Schule vor, da man sich selbst gut kennengelernt habe, sagt Miriam Grützner, Glückslehrerin: "Welche Stärken habe ich? Welche Schwächen habe ich vielleicht auch? Und wie kann ich das in meinem Beruf verwirklichen?"
Glück als Schulfach: Das sagen die Schüler
"Dank des Fachs Glück habe ich wirklich meine Stärken kennengelernt und was ich nach der Schule machen möchte", sagt Korcan Eyigün,18 Jahre. Die 17-jährige Selina Ayyildizli hat gelernt, "wie ich mich schrittweise großen Herausforderungen stellen kann - ohne Stress und dass ich keine Panik davor haben brauche." Beide besuchen inzwischen die 12. Klasse des Gymnasiums. Das Fach Glück haben sie erfolgreich abgeschlossen - in der Benotung und dem, was sie fürs Leben mitnehmen, sagen sie. Der 15-jährige Justus Sievers besucht aktuell den Glücksunterricht und war zunächst skeptisch: "Anfangs war ich nicht so begeistert davon, weil es so anders war als die anderen Fächer. Aber ich habe dadurch gelernt, mich auf das zu konzentrieren, wo meine Stärken liegen".
Einjährige Ausbildung zum Glückslehrer

Das Schulfach Glück entwickelte 2007 der deutsche Pädagoge Fritz Schubert mit dem Ziel: Schülerinnen und Schülern einen Glücksbegriff zu vermitteln, um Entscheidungen fürs Leben treffen zu können. Am Fritz Schubert Institut werden inzwischen jährlich rund 500 Lehrerinnen und Lehrer aus- und weitergebildet. In Niedersachsen wurde das Schulfach im Rahmen eines Projektes der Technischen Universität Braunschweigan 16 Klassen für ein Schuljahr im Jahr 2022 eingeführt. Mehr als 500 Kinder nahmen daran teil. Die Wissenschaftler wollten untersuchen, ob man Glück trainieren kann. Mit dem Ergebnis: Negative Emotionen nahmen nach einem Monat ab, das psychische Wohlbefinden nahm zu. Vor allem Kinder mit weniger Selbstbewusstsein profitierten von den Glücksstunden.
Projekte statt Klassenarbeiten
Noten bekommen die Schüler auch im Schulfach Glück, aber nicht durch Klassenarbeiten, sondern durch Projekte. Am Ende jedes Halbjahres stellen sie ihr eigenes vor, an dem sie teils monatelang gearbeitet haben. Wie zum Beispiel, sich in einem Seniorenheime zu engagieren, einen Podcast aufzunehmen, weit entfernte Verwandte zu besuchen, auf das Smartphone zu verzichten oder kaputte Gegenstände zu reparieren.
Jeder fünfte Schüler hat psychische Probleme
In dem Unterricht geht es auch darum, mit Stress umzugehen, zufriedener und resilienter zu werden. Das trifft einen Nerv der Zeit: Erst Ende 2024 hat das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung ergeben, dass 21 Prozent aller Schülerinnen und Schüler psychisch belastet sind. Das Schulfach Glück setzt hier an: "Wir hören von den Schülerinnen und Schülern oft, dass sie Leistungsdruck verspüren, gestresst sind und schlecht schlafen. Das wird hier aufgefangen", sagt die Glückslehrerin Grützner.
