Für mehr Nachhaltigkeit: Kinder unterrichten Kinder
Ein Erfolgsprojekt macht Schule: Es geht um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen. Als Nachhaltigkeitsbotschafter vermitteln Schüler ihr Wissen und werden dabei selbst zu Lehrkräften.
Die Aula ist gerammelt voll. Etwa 200 Schülerinnen und Schüler der "Grimsehlweg Grundschule" in Hannover lauschen gespannt dem Projekt-Unterricht. Auf einer Bühne steht Gustav Tierling mit einem Mikrofon. Er ist einer von zwölf Sechstklässlern der "Botschafterschule" aus Bredenbeck. Mit dabei haben die Kinder Zahlen, Fakten und auch selbst recherchierte Daten aus Umfragen, die sie an ihrer eigenen Schule durchgeführt haben: "Wir haben gefragt, wie die Kinder zur Schule kommen. Dabei stellte sich heraus: die meisten werden mit dem Auto gebracht", sagt der Schüler.
Lernen für den Alltag
Schnell wird klar: In diesem Unterricht zum Thema Nachhaltigkeit geht es um ganz alltägliche Dinge: Den eigenen Schulweg, Müll in der Natur oder das Stromsparen. Um die Themen zu vermitteln, haben die jungen Botschafterinnen und Botschafter bunte Würfel mitgebracht. Darauf abgebildet sind Ziele wie "Maßnahmen zum Klimaschutz", "hochwertige Bildung" oder "keine Armut". Die Grundschüler sollen erzählen, was ihnen dazu einfällt. Spielerisch und interaktiv arbeiten die Botschafterkinder mit den jüngeren. "Die Kinder sollen möglichst viel mitnehmen, was sie in ihrem Alltag auch umsetzen können", sagt Projektleiterin Sina Landoulsi.
Thema Nachhaltigkeit noch wenig im Blick
Im Unterrichten gehen die Quasi-Lehrkräfte richtig auf: "Es macht Spaß, mit jüngeren oder gleichaltrigen Kindern zu arbeiten und zu wissen, dass man denen auch was beibringen kann und die einem zuhören", sagt Amina Kaya. Die Sechstklässlerin macht das nicht zum ersten Mal. Sie und die anderen Botschafter fahren von Schule zu Schule und investieren auch in ihrer Freizeit in das Projekt. Warum Projekte wie dieses wichtig sind, zeigt eine Studie der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2023. Das Thema Nachhaltigkeit ist laut den Forschenden an deutschen Schulen noch unterrepräsentiert.
Die Idee kommt aus Bredenbeck
Die Ergebnisse zeigen: Die meisten jungen Menschen kommen mit dem Thema Nachhaltigkeit vor allem über die Sozialen Medien in Berührung. Gefolgt von Fernsehen, Internet und der Familie. Bildungseinrichtungen wie Schulen landen dort nur auf dem 5. Platz. Mit dem Projekt "Botschafterschule" möchte Sina Landoulsi das ändern: "So wie Lesen, Rechnen und Schreiben in der Schule gelehrt wird, gehört für mich auch Bildung für nachhaltige Entwicklung auf den Stundenplan", sagt sie. Landoulsi leitet das Projekt und hat die Kinder im ersten Schritt an der Grundschule Bredenbeck ausgebildet. Inzwischen bleibt die Lehrerin nahezu ganz im Hintergrund, überlässt den Botschafter-Lehrkräften den Unterricht.
Schulleitende haben Thema erkannt
Auch die meisten Schulleiterinnen und Schulleiter wünschen sich, dass das Thema Nachhaltigkeit eine größere Rolle spielt. Das ergibt eine repräsentative Umfrage des Verbands für Bildung aus dem Jahr 2023. Dabei wurden über 1.300 Schulleitende befragt. Das Problem: Es scheitert oft an den Kapazitäten. So geben 72 Prozent der Befragten an, für Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen fehle es an Zeit und Personal. 54 Prozent der Schulleitungen halten das zusätzliche Schulfach zudem für aktuell nicht finanzierbar.
Sieben weitere Schulen im Land mit an Bord
Das Projekt Botschafterschule will zumindest im Kleinen etwas dafür tun, dass Nachhaltigkeit eine größere Rolle spielt. Inzwischen waren die Schülerinnen und Schüler aus Bredenbeck an verschiedenen Schulen in Niedersachsen, zum Beispiel in Gehrden, Springe, sogar in Ostfriesland. Die Idee ist einfach: Die Schulen, an denen die jungen Botschafterinnen und Botschafter waren, sollen selbst Botschafterschulen werden und ihr Wissen weitertragen. Und das System funktioniert: Inzwischen sind sieben weitere Schulen mit eigenen Schülerinnen und Schülern als Botschafter unterwegs und vermitteln Nachhaltigkeit.
Projekt gewinnt Förderpreis
Für das Projekt "Botschafterschule" wurde die Grundschule Bredenbeck 2023 sogar mit dem Förderpreis "youstartN" der Stiftung Bildung ausgezeichnet. Einen Preis, auf den sich etwa 2.000 Schulen aus ganz Deutschland beworben hatten. Von den 3.000 Euro Preisgeld will die Projektgruppe unter anderem ein neues Nachhaltigkeits-Spiel entwickeln, mit dem dann an Grundschulen gearbeitet werden kann.
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