Der 34-jährige Angeklagte sitzt zu Prozessbeginn zwischen seinen Anwälten in einem Verhandlungssaal des Landgerichts Stade. © picture alliance/dpa/dpa Pool

Tödlicher Clan-Streit: Prozess mit Verzögerung gestartet

Stand: 05.11.2024 12:23 Uhr

Am Landgericht Stade hat der Mordprozess gegen einen 34-jährigen Mann mit erheblicher Verspätung begonnen. Der Angeklagte soll im Streit zweier Großfamilien einem Widersacher in den Kopf gestochen haben.

Der Prozess sollte um 10.15 Uhr beginnen. Aufgrund der erhöhten Sicherheitslage und intensiver Personenkontrollen verzögerte sich der Auftakt um mehr als eineinhalb Stunden. Angehörige der beiden arabischstämmigen Großfamilien Miri und El-Zein hatten sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt, wie eine Gerichtssprecherin dem NDR mitteilte. In der Warteschlange ist es NDR Reportern zufolge zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort.

34-Jähriger soll im Streit Messer gezogen haben

Röntgenbild des Opfers Khaled El-Zein. © NDR/BR Foto: NDR/BR
Ein Röntgenbild zeigt das Messer im Kopf des Getöteten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord und gefährliche Körperverletzung vor. Im März kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der beiden arabischstämmigen Großfamilien Miri und El-Zein. Grund dafür waren mutmaßlich Konkurrenzkämpfe um Geschäfte in der Stader Innenstadt. Bei einem gewaltsamen Streit soll das 34-jährige Mitglied des Miri-Clans ein Messer gezogen und einen Mann der El-Zein-Familie damit lebensgefährlich verletzt haben. Der Mann starb am nächsten Tag an den Folgen seiner schweren Verletzungen.

Miri-Clan zog sich nach Tat aus Stade zurück

Die Polizei nahm den Verdächtigen im Mai in Buchholz in der Nordheide (Landkreis Harburg) fest. Seitdem sitzt der 34-Jährige in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Wie die Polizei beobachtete, gaben Mitglieder des Miri-Clans nach der Tat ihre Geschäfte in der Innenstadt auf. Sie schlossen einen Sportladen in der Fußgängerzone, in dem sie auch Shisha-Zubehör verkauft hatten.

Clankriminalität - ein umstrittener Begriff

Immer wieder berichtet die Polizei von Ermittlungen gegen sogenannte Clankriminalität. Nach der Definition des niedersächsischen Innenministeriums ist ein Clan eine durch verwandtschaftliche Beziehungen und eine gemeinsame ethnische Herkunft verbundene kriminelle Gruppe. Genau diese Definition ruft aber vielfach Kritik hervor. Thomas Müller etwa hat bei der Polizei Bremen im Bereich gegen Organisierte Kriminalität ermittelt und parallel Kriminologie studiert. Er bemängelt, dass die Polizei mit dem Begriff Clankriminalität eine Schablone für Menschen anlege, die sehr unterschiedlich sind. Sie würden als Einheit definiert, weil man sie einer Familienstruktur zuordnet und weil sie einen gewissen Nachnamen haben. "Man muss sich das mal vorstellen: Wenn man alle Müllers als potenziell kriminell ansieht und sie ständig überprüft, dann macht das etwas mit dem Bild, das Polizei und Gesellschaft von allen haben, die Müller heißen." Kritiker schlagen vor, stattdessen die Begriffe "organisierte Kriminalität" oder "kriminelle Bande" zu nutzen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 05.11.2024 | 09:00 Uhr

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