Streit ums Dauerwohnen auf dem Campingplatz
Wohnen auf dem Campingplatz, im festen Holzhaus mit allem Komfort, und selbstverständlich eingetragen als erster Wohnsitz. So sieht sie aus, die Vision von Campingplatzbetreiber Norbert Kloodt. 48 Häuser sollen auf seinem Campingplatz "Stover Strand" im niedersächsischen Drage an der Elbe entstehen, ein richtiges kleines Wohngebiet.
Doch eigentlich ist das dauerhafte Wohnen auf Campingplätzen in Deutschland nach Bundesplanungsrecht verboten. Sie gelten als Erholungs-, nicht als Wohngebiet. Norbert Kloodt hat darum einfach den Bebauungsplan ändern lassen: Auf einem Teil seines Platzes ist das "Integrierte Wohnen in der touristischen Gemeinschaft" seitdem erlaubt. Geniestreich oder rechtlich fragwürdig? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Leben auf dem 5-Sterne-Campingplatz
Rund 300 Menschen leben derzeit dauerhaft auf dem 5-Sterne-Campingplatz Stover Strand, idyllisch direkt hinter dem Elbdeich bei Geesthacht. Die meisten in sogenannten Mobilheimen, also transportablen Ferienhäuschen, die auf Campingplätzen aufgestellt werden dürfen. Eine Wohnform, die offenbar immer beliebter wird: "Wir haben eine Riesenanfrage", sagt Norbert Kloodt. "Etwa 500 Leute erkundigen sich jedes Jahr nach dieser Wohnform."
Und so hat Norbert Kloodt sich etwas Neues einfallen lassen: Den Holzhauspark. Auf einem Teil seines Platzes verpachtet er nun Parzellen, auf denen die Pächter eigene Holzhäuser bauen können. Ein Haus kostet rund 100.000 Euro. Für die Bewohner ein Schnäppchen, mitten in der Natur, fußläufig zur Elbe, findet Kloodt. Und für ihn als Campingplatzbetreiber ist es ein Geschäftsmodell mit Zukunft.
Bauplanungsrechtlich nicht zulässig
Allerdings ist das Dauerwohnen auf Campingplätzen in Deutschland "bauplanungsrechtlich nicht zulässig", wie das niedersächsische Bauministerium auf Nachfrage erläutert. Wie viele Menschen dennoch auf Campingplätzen in Niedersachsen leben, weiß das Ministerium nicht und verweist an die Kommunen. Offenbar sind es mehrere Tausend. Allein in der Samtgemeinde Elbmarsch, zu der auch der Campingplatz Stover Strand gehört, sind aktuell 793 Menschen mit Erstwohnsitz auf Campingplätzen gemeldet. In den vergangenen zehn Jahren hat sich diese Zahl verdreifacht. Erstaunlich.
Jahrelang hat das rechtliche Problem offenbar niemanden interessiert. Es wurde schlichtweg geduldet, dass Menschen auf Campingplätzen leben, obwohl es nicht zulässig ist. Erst die Entwicklung des Holzhausparks Stover Strand führte zu Nachfragen in der Lokalpresse. Die neuen Dauerbewohner mussten sich plötzlich mit der Frage beschäftigen, ob sie wirklich dauerhaft auf dem Campingplatz wohnen dürfen. Viele fürchteten um das Geld, das sie in ihre Holzhäuser investiert hatten.
Campingplatzbetreiber ist stellvertretender Bürgermeister
Campingplatzbetreiber Norbert Kloodt, der als stellvertretender Bürgermeister in Drage auch in der Lokalpolitik aktiv ist, trieb infolgedessen eine Bebauungsplanänderung voran. Ziel der Planänderung war es, das dauerhafte Wohnen auf dem Campingplatz zu legitimieren. Und so verankerte der Gemeinderat Drage im vergangenen Mai ein gänzlich neuartiges Sondergebiet im Bebauungsplan: das so genannte "Integrierte Wohnen in der touristischen Gemeinschaft". Das Sondergebiet gilt für einen Großteil von Norbert Kloodts Campingplatz und soll alle rechtlichen Zweifel beseitigen.
"Es ist richtig, dass man die Bedürfnisse der Menschen erfüllt, und das hat auch die Politik hier gemacht", freut sich Norbert Kloodt. "Das hat sie mit einer großen Einmütigkeit gemacht, das fand ich toll." Nur ein Gemeinderatsmitglied stimmte gegen die Bebauungsplanänderung: Norbert Kloodts Nachbarin Dörte Land. Sie stört sich daran, dass hier offenbar das Recht den Bedürfnissen angepasst wurde. "Dass da jemand Fakten schafft und die dann hinterher legalisiert bekommt, das finde ich absolut nicht in Ordnung."
Baurechtsexperte nennt Sondergebiet „Etikettenschwindel“
Der Berliner Anwalt Stefan Kobes findet den Bebauungsplan "sehr kreativ". Er bezweifelt, dass das Sondergebiet mit Bundesplanungsrecht in Einklang zu bringen ist. "Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach klar gesagt: Dauerwohnen ist in einem Sondergebiet für Erholungszwecke unverträglich und unzulässig", so Kobes. "Und wir haben es hier mit einem Erholungsgebiet zu tun, nämlich mit einem Ferienhaus- und Campingplatzgebiet." Das Sondergebiet sei schlicht "Etikettenschwindel".
Norbert Kloodt, der bis vor einigen Jahren selbst im Kreisbauamt gearbeitet hat, sieht das selbstverständlich anders und verweist auf Gutachten, die dem Plan eine Rechtmäßigkeit bescheinigen würden. Auch der Landkreis Harburg, der in die Bebauungsplanänderung einbezogen war, hält die Planänderung für rechtens.
Ob der geänderte Bebauungsplan nun zulässig ist oder nicht, muss vor Gericht entschieden werden. Norbert Kloodts Nachbarin Dörte Land und ihr Mann haben eine Normenkontrollklage gegen die Gemeinde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingereicht. Auch der Petitionsausschuss im niedersächsischen Landtag beschäftigt sich nun mit dem Fall.