Projekt für mehr Landärzte in Niedersachsen
Landarzt gilt nicht gerade als Traumberuf für Mediziner: lange Arbeitstage, viele Patienten und oft ältere Geräte. Medizinstudenten aus den Unikliniken in Großstädten können dem oft nicht so viel abgewinnen. Für die Landärzte wird es immer schwieriger, Nachfolger zu finden, wenn sie in den Ruhestand gehen wollen. Die Patienten haben das Nachsehen: immer weitere Wege zu ihrem Arzt, wenn es ihn denn überhaupt noch gibt. Das wollten die Medizinische Hochschule Hannover und der Heidekreis ändern und erfanden die Landpartie: Sie boten Medizinstudenten an, ihr Blockpraktikum der Allgemeinmedizin im fünften Studienjahr in einer Landarztpraxis zu machen. Etliche Studenten nahmen das Angebot an.
Für Hausärzte ist es besonders schwer, Nachfolger zu finden. Das Problem trifft die Provinz ganz besonders. Hier spielen laut der Kassenärztlichen Vereinigung auch Faktoren außerhalb des Berufes eine große Rolle: Arbeit für den Partner, das Angebot an Kindergärten und Schulen oder der öffentliche Nahverkehr sind nur einige Themen. Obwohl sich immer mehr Kommunen engagieren, reichen die Anreize für junge Ärzte oft nicht aus. Das Gehalt spielt dabei ebenfalls eine Rolle: Haus- und Kinderärzte verdienen am wenigsten und haben gleichzeitig das höchste Regressrisiko. Der Gesetzgeber schreibt nämlich vor, dass pro Quartal nur gewisse Mengen an Medikamenten je Patient verschrieben werden dürfen. Bei Überschreitung folgt irgendwann eine Strafzahlung. Dieses Gesetz trifft besonders die Hausärzte, weil sie wegen der großen Bandbreite an Krankheiten mehr Medikamente als Fachärzte verschreiben. Gleichzeitig braucht man in diesem Bereich ein besonders breites medizinisches Wissen. Es sind viele Gründe, die junge Ärzte nicht gerade dazu bewegen, eine Hausarztpraxis auf dem Land zu übernehmen.
Projektversuch mit Studierenden der Medizin
Einen Versuch haben einige angehende Mediziner aber dennoch gewagt. Im Rahmen eines Projektes haben sie für zwei Wochen in einer Landarztpraxis gearbeitet. Insgesamt 120 Studierende der Medizinischen Hochschule Hannover haben seit 2013 an sogenannten Landpartien teilgenommen. Die Initiative gibt es schon etwas länger in den Regionen Zeven-Bremervörde, Hameln, Pyrmont, Schaumburg und auch im Heidekreis. Dort haben die ersten drei am Projekt beteiligten Medizinstudentinnen jetzt ihr Fazit gezogen. Eine von ihnen ist Laura Wieddekind. Für sie steht am Ende fest, dass die Arbeit als Landärztin eindeutig auch Vorteile hat: "Wir haben einstimmig festgestellt, dass uns als Studentinnen sehr offen begegnet wurde. Das ist auch nicht selbstverständlich, wenn man es nicht kennt, dass da auf einmal Studierende kommen. An der Hochschule sind sie es gewohnt, dass jede Woche mal eine Visite mit Studierenden ist", beschreibt sie "Ich habe viel gelernt und viel in der Praxis sehen können. Ich kann mir jetzt durchaus vorstellen, auf dem Land tätig zu sein."
Überzeugte Großstädter entdecken Liebe zum Land
Laura Wieddekind ist Medizinstudentin im zehnten Semester. Für sie ist es noch zu früh, sich endgültig für eine Tätigkeit als Landärztin zu entscheiden. Aber sie wurde, genau wie ihre beiden Kommilitoninnen Miriam Schweinefuss und Frederike Schwick, in ihrem Praktikum in Walsrode durch Hausärzte vor Ort sehr persönlich betreut und konnte viele Arbeitsfelder kennenlernen. Miriam Schweinefuss hat dabei festgestellt, dass sich die Arbeit auf dem Land von der in Großstädten durchaus unterscheidet: "Die Beziehung zu den Patienten ist viel enger als beispielsweise in der Stadt und das ist eine sehr schöne Arbeit, wenn man auch viel Dankbarkeit zurückbekommt."
Die dritte der Medizinstudentinnen, Frederike Schwick, ist eigentlich überzeugte Großstädterin - aber auch sie kann sich nach der Landpartie im Heidekreis nun vorstellen, mal als Landärztin zu arbeiten: "Ich komme ursprünglich aus Dortmund und konnte mir, bevor wir im Praktikum waren, nicht unbedingt vorstellen auf dem Land zu leben. Ich muss aber durchaus sagen, dass mir das Praktikum sehr viel Spaß gemacht hat und ich mir inzwischen vorstellen kann, für eine kürzere Zeit oder auch länger auf dem Land zu leben und dauerhaft hier zu arbeiten."
Langfristige Perspektive gewünscht
Als viel persönlicher als in der Großstadt haben die Studentinnen ihre Arbeit auf dem Lande erlebt. Deshalb hoffen ihre Lehrärzte wie Jens Schlake aus Walsrode, die den Studentinnen ihre Praxistüren geöffnet haben, dass sie das oft negative Bild von der Arbeit als Landarzt ein bisschen beeinflussen konnten: "Diese Vermutungen, hier passiere nichts, hier ist nichts, dem wollen wir entgegenwirken. Denn nur durch Kenntnis der Strukturen kann man ermöglichen, Menschen zu motivieren, auf dem Lande zu leben und zu arbeiten. Durch persönliche Kontakte ist das dann vielleicht noch mal einen Tacken besser." Er wünscht sich, dass es kein einmaliges Experiment bleibt, sondern eine langfristige Perspektive daraus wird.
Image ländlicher Praxen wird aufpoliert
Seine Kollegin Britta Bostelmann-Häusser stammt zwar ursprünglich vom Land, wollte dann aber im Studium unbedingt in eine Großstadt, um mehr zu erleben. Inzwischen ist sie längst wieder zurück von der Stadt aufs Land nach Walsrode gezogen – und hat das keine Sekunde bereut. Das gibt sie auch den Studentinnen mit auf den Weg: "Ich komme von hier, habe aber auch immer gerne in der Stadt gelebt. Dann bin ich zufällig an meinen jetzigen Kollegen geraten. Ich habe dann in die Praxis reingeschnuppert und habe das als sehr attraktiv empfunden." Sie glaubt, dass es besonders aus diesem Grund wichtig ist, Medizinstudenten möglichst früh zu zeigen, dass auch in einer Landarztpraxis vernünftige Medizin gemacht wird und man auch dort gut arbeiten kann.