Handeloh: Heilpraktiker und Ärzte im Drogenrausch
Wahnvorstellungen, Krampfanfälle, Herzrasen: 29 Heilpraktiker, Ärzte und Psychologen experimentieren Anfang September im niedersächsischen Handeloh mit illegalen Drogen. Die als Seminar deklarierte Veranstaltung endet mit einem Großeinsatz der Rettungskräfte.
Inzwischen liegen den Ermittlern erste Untersuchungsergebnisse vor. So konnte das Kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamtes Niedersachsen in zwei vor Ort sichergestellten Kapseln den amphetaminähnlichen Wirkstoff "2C-E" nachweisen. Das Psychedelikum unterliegt seit Dezember vergangenen Jahres den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Erwerb und Besitz der Substanz sind seitdem verboten.
Spuren der Drogentherapie führen in die Schweiz
Die Staatsanwaltschaft Stade konzentriert ihre Ermittlungen auf die beiden Seminarleiter und zwei ihrer Helfer. Nach Informationen von Panorama 3 und dem ARD Reportageformat #BECKMANN handelt es sich bei dem Leiter des Seminars in Handeloh um den Aachener Psychologen Stefan S. Dieser ist offenbar ein Schüler des umstrittenen Schweizer Arztes und Psychotherapeuten Samuel Widmer Nicolet, der seit vielen Jahren den Einsatz bewusstseinserweiternder Drogen wie LSD oder MDMA in der Psychotherapie propagiert.
#BECKMANN berichtete bereits im März diesen Jahres über die fragwürdigen Methoden Widmers. Der Schweizer hat nach eigenen Angaben bislang mehr als 400 Heilpraktiker und Ärzte in der so genannten "Psycholytischen Psychotherapie" ausgebildet. Journalist Alexander Cierpka besuchte eines der Seminare in der Schweiz mit versteckter Kamera. Durch einen Drogencocktail aus MDMA und Meskalin wurden die Seminarteilnehmer auf eine mehr als zehn Stunden lange "Reise" geschickt. "Der therapeutische Ansatz dabei war vor Ort kaum ersichtlich", berichtete Alexander Cierpka. "Es ging da mehr um das gemeinschaftliche Drogenerlebnis."
"Psycholytische Psychotherapie" mit Drogen
Die Psycholyse ist ein umstrittener Therapieansatz und stammt ursprünglich aus den USA. In Deutschland ist die Methode verboten. Mediziner warnen, dass die Einnahme der synthetischen Drogen zu Depressionen, Psychosen und Schizophrenie führen kann.
"Psychotherapie ist ein Prozess, der normalerweise Monate bis Jahre andauert", so Rainer Thomasius, Professor für Psychiatrie am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. "Und dieser Prozess soll in der Psycholyse durch die Einnahme von Substanzen beschleunigt werden. Die Patienten sollen einen schnelleren Zugang zu den traumatischen Erlebnissen in ihrem Unterbewusstsein erhalten. Und das Problem bei dieser Methode ist - mal abgesehen davon, dass es keinen Beleg für die Wirksamkeit, für den Erfolg einer solchen Psychotherapie gibt - dass es immer wieder zu ungünstigen Auswirkungen kommt, bspw. zu Psychosen."