Gewalt an Heimkindern in Elsdorf? Prüfung der Akten abgeschlossen
Im Sommer waren auf einem Dachboden des Pfarrhauses in Elsdorf alte Briefe von Heimkindern entdeckt worden. Die Landeskirche Hannovers hat die Akten nun ausgewertet - und Hinweise auf Gewalt gefunden.
Die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der evangelisch-lutherischen Landeskirche hat die Akten von rund 200 Kindern und Jugendlichen überprüft. Bei rund zehn Prozent der Heimkinder gebe es Hinweise auf Gewalterfahrungen, teilte Kirchensprecher Benjamin Simon-Hinkelmann mit. Dabei gehe es hauptsächlich um physische und psychische Gewalt wie Schläge, zu wenig Essen oder fehlende Betten. Es gebe aber auch Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt.
Landeskirchenamt will Aufarbeitung prüfen
Der Kirchenvorstand der Gemeinde Elsdorf (Landkreis Rotenburg) und der Vorstand des Kirchenkreises Bremervörde-Zeven haben beim Landeskirchenamt beantragt, dass die Geschehnisse aufgearbeitet werden. "Das Landeskirchenamt wird die Anträge gemeinsam mit der Fachstelle prüfen und dann über die Beauftragung einer Aufarbeitung entscheiden", sagte Simon-Hinkelmann. Das soll in den kommenden Wochen passieren. Die Aufarbeitung würde dann von einer unabhängigen Kommission übernommen werden.
Vorwurf sexualisierter Gewalt durch kirchlichen Mitarbeiter
In den 1950er- und 60er-Jahren hat die diakonische Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel (Region Hannover) zusammen mit dem örtlichen evangelischen Pfarramt Kinder und Jugendliche auf Höfe und in Handwerksbetriebe vermittelt. Von dort berichteten die Kinder in Briefen von Misshandlungen. Die Briefe gingen damals an einen kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf, dem ebenfalls sexualisierte Gewalt vorgeworfen wurde. 2014 hatte eine betroffene Person deswegen sogenannte Anerkennungsleistungen beantragt und auch bekommen. Der beschuldigte kirchliche Mitarbeiter war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Im Rahmen eines Pastorenwechsels war der Dachboden in der Kirchengemeinde Elsdorf dann in diesem Sommer aufgeräumt und die Briefe waren entdeckt worden.
Pestalozzi-Stiftung wusste nichts von Vorwürfen
Die Pestalozzi-Stiftung hat nach eigenen Angaben bis zum Bekanntwerden des Fundes nichts von den beschriebenen Vorfällen gewusst. Sie könne allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob vorherige Vorstände etwas gewusst hätten oder nicht, sagte Vorständin Andrea Sewing. Der aktuelle Vorstand sei von dem Fund überrascht worden. Die Prüfung der Akten durch die Fachstelle Sexualisierte Gewalt erfolgte nun deutlich schneller als geplant: Ursprünglich sollte sie bis Januar dauern.