Wenn man Kinderpornografie bekämpft und sich damit strafbar macht
In den vergangenen zwei Jahren haben sich Menschen strafbar gemacht, die die Verbreitung von Kinderpornografie verhindern wollten. So auch eine Mutter aus Hannover - sie wurde deswegen verurteilt.
Der Kinderpornoparagraf 184b im Strafgesetzbuch bestraft manchmal eher die Opfer als die Täter. So sind nach der ursprünglichen Verschärfung dieses Paragrafen vor zwei Jahren immer öfter Eltern, Lehrer und betroffene Jugendliche ins Visier der Ermittler geraten, die die digitale Verbreitung von Kinderpornos eigentlich verhindern wollten. Genau das ist einer Mutter aus Hannover passiert.
Wer auf "Weiterleiten" drückt, macht sich strafbar
Im Juli 2021 rief ihre zehnjährige Tochter an und sagte: "Mama, Mama, ich habe merkwürdige Fotos auf das Handy geschickt bekommen." Die Mutter handelte beherzt. Sie schickte die E-Mail mit dem kinderpornografischen Inhalt an die Lehrerin der Klasse und weitere Eltern - um diese zu warnen. Sie wollte auch den Täter, einen Schüler, und dessen Eltern damit konfrontieren. Das Problem: Allein mit dem Weiterleiten der E-Mail samt Inhalt hat sie sich strafbar gemacht, weil sie kinderpornografische Inhalte weiterverbreitet hat. Ihre an sich guten Absichten interessieren nicht. Das Strafmaß laut Gesetz: Bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Bundesjustizministerium arbeitet an Gesetzesänderung
Das soll sich schleunigst ändern: Noch in diesem Jahr will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das Gesetz ändern. Für den Anwalt der Mutter, Thomas Mügge aus Hannover, war schon die Einführung des Gesetzes im Jahr 2021 bereits "Murks". "Alle Verbände haben die damalige Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) gewarnt und diese Fälle, wie jetzt in Hannover, vorausgesehen", sagt er. Letztlich behindere dieser Paragraf die Strafverfolgung der wirklichen Täter. Denn jeder, der jetzt ein Foto auf sein Handy zugeschickt bekommt, wird sich überlegen, ob er das bei der Polizei überhaupt anzeigt. Zu groß sei die Gefahr, dass der Anzeiger selbst, oder Freunde in das Fangnetz der Justiz geraten. Viele löschen solche E-Mails einfach: Juristisch schwierig, aber persönlich vermeidet man so viel Ärger.
Gericht verhängt Strafe, weil es nicht anders kann
Für die Mutter aus Hannover ist heute nichts mehr so, wie es vor dem Juli 2021 war. Dem NDR Niedersachsen sagt sie, sie müsse jetzt Tabletten nehmen, könne sich schlecht konzentrieren und habe Angst, wenn sie die Polizei auf der Straße sehe. Das Urteil gegen die Mutter fiel vor Kurzem: Sie wurde zu 90 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt - zur Bewährung. Denn Gericht und Staatsanwalt standen vor einem Dilemma. Einerseits waren sie von den guten Absichten der Frau überzeugt, andererseits muss die Justiz geltendes Recht anwenden. Der milde Richterspruch wurde möglich, weil noch ein weiterer Paragraf angewandt wurde: Der "Verbotsirrtum". Dort heißt es: "Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld." So blieb der Frau zumindest ein Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis erspart.
Niedersächsisches Justizministerium wird aktiv
Wegen diesem und vieler Tausend ähnlicher Fälle hat das niedersächsische Justizministerium den Bund im Mai zu einer Änderung des Gesetzes aufgefordert. Justizministerin Kathrin Wahlmann, SPD, sagt dazu: "Erwerb und Besitz von Kinderpornografie sind schwerwiegende Straftaten, die entschieden verfolgt werden müssen. Aber wir wollen die Täter bestrafen und nicht diejenigen, die bei der Aufdeckung solcher Taten mithelfen."
Das Handy ist immer noch weg
Der Anwalt der Mutter aus Hannover will das Urteil anfechten. Das Ziel: Ein Freispruch. Als Verurteilte, so sagt die Mutter, fühle sie sich wie eine Verbrecherin. Ihr eigenes Handy habe sie übrigens bis heute nicht zurückbekommen: Als Beweismittel sei es sichergestellt.