VW-Milliarde: Jeder will ein Stück vom Kuchen
Eine Milliarde Euro für die Landeskasse - ein Geldsegen in dieser Höhe lässt in ganz Niedersachsen Wünsche wachsen und macht durchaus kreativ. Das gegen Volkswagen in der Diesel-Affäre verhängte Bußgeld sorgt auf jeden Fall für eine unerwartete Finanzspritze. Was soll also mit dem Geld passieren? Es werde von vielen Seiten "ein bunter Strauß an Wünschen" an die Landesregierung herangetragen, hieß es am Freitag aus der Staatskanzlei. Vorschläge gibt es bereits viele, und die Liste der Forderungen wird immer länger.
Mit dem "großen Wurf" den Breitband-Ausbau vorantreiben
Nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes NiedersachsenMetall sollte das Bußgeld in einen Zukunftsfonds fließen. "Das wäre die Chance für einen großen Wurf, endlich etwa beim Thema Breitbandausbau voranzukommen", sagte Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt der Nachrichtenagentur dpa am Sonnabend. Zwei Drittel der Erträge aus dem Fonds sollten fest jedes Jahr in den Glasfasernetzausbau fließen. Das übrige Geld könnte in Bildung oder die Bewältigung der demografischen Herausforderungen investiert werden, so Schmidt.
Straße, Schiene, Bildung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte bereits am Freitag eine breit angelegte Investitionsoffensive für die Modernisierung des Landes gefordert. "Wir brauchen dringend bessere Straßen und Schienen, mehr bezahlbaren Wohnraum, gut ausgestattete Kindertagesstätten und Schulen", hieß es. Der Bundesverband E-Mobilität (BEM) hingegen schlägt vor, dass der Betrag "zweckgebunden ausschließlich für die Förderung einer sauberen und nachhaltigen neuen Mobilität auf Basis erneuerbarer Energien eingesetzt" wird. So sollen kostenloser Ladestrom finanziert und eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufgebaut werden, erklärte der BEM am Freitag.
Milliarde wird Thema im Landtag
Auch im Landtag soll das Thema kommende Woche auf der Tagesordnung stehen: Die Grünen haben einen entsprechenden Antrag gestellt. "Ich halte es für notwendig, dass die Landesregierung den Haushaltsausschuss über die Einnahmen im Zusammenhang mit dem Bußgeld für Volkswagen unterrichtet", heißt es in einem Antrag des Grünen-Abgeordneten Stefan Wenzel, der der dpa vorliegt. Auch die SPD erwägt das Thema auf die Tagesordnung zu setzten, so ein Sprecher am Freitag. Die Landesregierung hatte bereits am Donnerstag angekündigt, dass es im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen in der kommenden Woche einen Vorschlag geben werde.
Justiz stellt Ansprüche
Auch die Justiz will ihr Stück vom großen Kuchen: Der Vorsitzende des Niedersächsischen Richterbundes (NRB), Frank Bornemann, schlug vor, die im Koalitionsvertrag zugesagten 250 Stellen für Staatsanwälte und Richter mit der Milliarde für 40 Jahre zu finanzieren. "Wir werden es nicht akzeptieren, wenn dieses von der Justiz selbst erwirtschaftete Geld nun nicht auch dort eingesetzt wird", so Bornemann.
Steuerzahlerbund: Schuldenberg muss Priorität haben
FDP-Landeschef Stefan Birkner sprach sich dafür aus, mit dem Geld die Schulden des Landes zu reduzieren. "Den unverhofften Geldsegen muss die Landesregierung zwingend in den Schuldenabbau investieren", forderte er. "Das entlastet nicht nur nachfolgende Generationen, die eingesparten Zinsen stehen dem Landeshaushalt langfristig zur Verfügung." Damit ließe sich etwa die Justiz stärken, so Birkner. Der Steuerzahlerbund sprach sich ebenfalls dafür aus, dass der gesamte Betrag in den Abbau des Schuldenbergs von 61,4 Milliarden Euro geht. "Das Geld darf nicht zur Manövriermasse der Politik bei der Verteilung von Wohltaten werden; die Minderung der Haushaltsrisiken durch den hohen Schuldenberg muss vielmehr oberste Priorität haben", sagte Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen.
Länderfinanzausgleich greift nicht
Volkswagen und die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatten am Mittwochabend mitgeteilt, dass das Unternehmen wegen der Dieselaffäre in Deutschland eine Milliarde Euro Bußgeld zahlt. VW erklärte, der Konzern bekenne sich damit zu seiner "Verantwortung für die Dieselkrise". Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) begrüßten die Anerkennung der Geldbuße durch Volkswagen. VW muss die gesamte Summe - laut Staatsanwaltschaft das höchste jemals in der Bundesrepublik verhängte Bußgeld - innerhalb von sechs Wochen an das Land Niedersachsen überweisen. Entgegen erster Annahmen wird das Geld nicht beim Länderfinanzausgleich berücksichtigt. Die gesamte Summe kommt somit Niedersachsen zugute.
Darf VW 995 Millionen von der Steuer absetzen?
Ob der Konzern das Bußgeld möglicherweise von seiner Steuer abziehen kann, ist noch unklar. Fest steht: Die Geldbuße von fünf Millionen Euro ist, so heißt es vom Finanzministerium, nicht als Betriebsausgabe absetzbar. Unklar ist dagegen, wie es mit dem Löwenanteil von 995 Millionen Euro aussieht. Zurzeit läuft in der Behörde "eine komplexe interne Prüfung", ob sich dieser Anteil, der sich auf die Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile bezieht, steuerlich geltend machen lässt.