Diesel-Skandal: VW zahlt Milliarden-Bußgeld
In der Diesel-Affäre hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Bußgeld über eine Milliarde Euro gegen Volkswagen verhängt. "Volkswagen akzeptiert das Bußgeld und bekennt sich damit zu seiner Verantwortung", teilte VW dazu am Mittwoch mit. Es würden keine Rechtsmittel vonseiten des Unternehmens eingelegt. Die Staatsanwaltschaft will sich am Vormittag zu den Details äußern.
VW spricht von "Aufsichtspflichtverletzungen"
Nach den Ergebnissen der Ermittlungen ist es zu "Aufsichtspflichtverletzungen" in der Abteilung Aggregate-Entwicklung im Zusammenhang mit der Fahrzeugprüfung gekommen, hieß es in einer Ad-Hoc-Meldung des Unternehmens. "Volkswagen geht davon aus, dass die Beendigung dieses Verfahrens auch erhebliche positive Auswirkungen auf weitere in Europa gegen die Volkswagen AG und ihre Konzerngesellschaften geführte behördliche Verfahren haben wird", hieß es weiter. Im Klartext heißt das: Mit seinem Bekenntnis räumt VW ähnliche Bußgeld-Verfahren in Europa vom Tisch. Andere Länder wie beispielsweise Österreich können damit kein eigenes Bußgeld mehr verhängen.
"Beworben, veräußert und in Verkehr gebracht"
Die Verletzungen der Aufsichtspflicht waren laut der Staatsanwaltschaft Braunschweig die Ursache dafür, dass im Zeitraum von Mitte 2007 bis 2015 "insgesamt 10,7 Millionen Fahrzeuge mit dem Dieselmotor der Typen EA 288 (Gen3) in den USA und Kanada sowie EA 189 weltweit mit einer unzulässigen Softwarefunktion beworben, an Abnehmer veräußert und in den Verkehr gebracht wurden". Der Diesel-Skandal war 2015 ins Rollen gekommen, als Volkswagen einräumen musste, in Millionen von Fahrzeugen eine Software zur Manipulation der Abgaswerte eingebaut zu haben.
Experte: VW kann Bußgeld verschmerzen
Nach Ansicht des Automobil-Experten und Nord/LB-Analysten Frank Schwope dürfte das Bußgeld für Volkswagen verschmerzbar sein. "Wenn man bedenkt, dass VW in der Vergangenheit schon 25 Milliarden für den Skandal bezahlt hat, ist das kein allzu hoher Betrag", sagte Schwope NDR 1 Niedersachsen. Allerdings sei der Diesel-Skandal damit auch noch längst nicht ausgestanden. "Man darf nicht vergessen, dass es noch zahlreiche Klagen von Autobesitzern und Aktionären gibt", so Schwope. "Rein theoretisch kann da noch ein zweistelliger Milliarden-Betrag zusammenkommen." Die Staatsanwaltschaft Braunschweig betonte, dass das Bußgeld keinen Einfluss auf andere Verfahren hat - also weder auf die Klagen von Autokäufern und Aktionären noch auf strafrechtliche Ermittlungen. Die Staatsanwälte ermitteln im Zusammenhang mit VW mittlerweile gegen 49 Beschuldigte.
Milliarden-Strafen in den USA
Der Skandal weitete sich auch auf andere Hersteller aus. Der Konzern musste wegen des Skandals in den USA Milliarden an Strafen zahlen. Durch die Affäre wurde auch das Image des Diesel schwer beschädigt. Diese Krise hält bis heute an. Die US-Justizbehörden hatten zuvor bereits Strafanzeigen gegen acht amtierende und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Zwei von ihnen wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt.
VW muss innerhalb von sechs Wochen zahlen
Der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig wurde der Erklärung zufolge am Mittwoch erlassen. Die Strafzahlung setzt sich demnach aus "dem gesetzlichen Höchstmaß einer Ahndung" in Höhe von fünf Millionen Euro sowie "einer Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile" in Höhe von 995 Millionen Euro zusammen. Das bedeutet im Klartext, die Summe von 995 Millionen Euro wird verhängt, weil VW mit den manipulierten Motoren Geld sparen und umso höhere Gewinne einfahren konnte. Diese Gewinne wurden noch verrechnet - etwa mit den Kosten für nachträgliche Softwareupdates. VW muss diese Summe nun innerhalb von sechs Wochen an die Staatskasse zahlen.
Wohl nur 100 Millionen für Niedersachsen
Das Bußgeld fließt zwar in die Landeskasse, dennoch wird Niedersachsen wohl nur bedingt profitieren. Nach dem Länderfinanzausgleich blieben für das Land vermutlich "nur" etwa 100 Millionen Euro übrig, sagte Thorsten Hapke, Leiter der Redaktion Landespolitik des NDR im Fernsehmagazin Hallo Niedersachsen. Diese Einschätzung bestätigte auch der frühere Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). "Wenn es sich um eine zusätzliche Einnahme des Landes handelt, dürfte es in den Länderfinanzausgleich fließen und rechnerisch würden dann möglicherweise zehn Prozent zurückbleiben", sagte Wenzel. Unabhängig von der Verteilung des Bußgeldes betonte er: "Es wäre fatal wenn der Eindruck entsteht, VW könnte sich hier freikaufen."
Auch Geldbuße für Unternehmen möglich
Anders als in strafrechtlichen Verfahren, die sich nur gegen Personen richten können, kann nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz auch ein Unternehmen mit Geldbuße belegt werden, "wenn festgestellt wird, dass erforderliche Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen worden und dadurch strafrechtlich relevante Pflichtverletzungen erfolgt sind", heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. "Es handelt sich um eine der wenigen Möglichkeiten nach deutschem Recht, Unternehmen direkt für Fehlverhalten von Mitarbeitern mit Zahlungspflichten in Form von Bußgeldern zu belegen."
Verbraucherschützer: "Für Käufer ändert sich nichts"
Grüne und Verbraucherschützer haben das Milliarden-Bußgeld gegen Volkswagen wegen der Abgasbetrügereien begrüßt. Abgasmanipulationen und Umweltverschmutzung seien kein Kavaliersdelikt und dabei dürfe es auch keine Ausnahmen für die Autoindustrie geben, sagte Grünen-Politiker Cem Özdemir. "Ich finde es richtig, dass Volkswagen die Zahlungen akzeptiert." Ähnlich äußerten sich auch Verbraucherschützer. "Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass offensichtlich endlich begonnen wird, Volkswagen für den Betrug zur Rechenschaft zu ziehen", sagte der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, am Mittwoch in Berlin. Für die Käufer der Wagen ändere sich damit unmittelbar jedoch erstmal nichts. "Sie stehen bislang weiter allein mit ihrem Schaden da", sagte Müller.