Ukrainer in Hannover: "Ich möchte kein Kanonenfutter sein!"

Stand: 11.07.2024 06:21 Uhr

Die Ukraine möchte die Wehrpflichtigen im Ausland in die Armee holen. In Niedersachsen leben rund 25.000 Ukrainer im wehrpflichtigen Alter. Einer von ihnen, Stanislav Roh, erzählt, warum er nicht in den Krieg möchte.

Ich bin in Hannover seit März 2022. Es geht mir ganz gut in Deutschland. Aber ich bin vor kurzem 18 Jahre alt geworden, auf einmal bin ich erwachsen. Und jetzt müsste ich mich eigentlich beim Kriegskommissariat in der Ukraine melden, damit ich später Soldat werden könnte. Als Wehrtauglicher kann ich nicht wieder nach Deutschland zurück.

Ukrainische Soldaten  während der Eröffnungszeremonie einer Gedenkstätte. © picture alliance Foto: Pool /Ukrainian Presidentia
AUDIO: Ukraine: Soldatensuche für einen Krieg ohne Ende (25 Min)

Rückkehr in die Ukraine? Ausgeschlossen ...

Das bedeutet, dass ich nicht mehr in die Ukraine reisen kann. Außer den Eltern und meiner Schwester ist meine ganze Familie in der Ukraine: Meine Großeltern, meine Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten. Also die Leute, mit denen ich sehr verbunden bin. Vor zwei Jahren habe ich sie noch einmal besucht, leider ist das nun nicht mehr möglich. Es ist nun wie eine Mauer zwischen uns. Die einzige Möglichkeit sind Telefonate und Gespräche per Videokonferenz. Persönlich können wir uns nicht mehr sehen.

Im Krieg zum Kanonenfutter

Stanislav Roh und sein Vater Dmytro Roh zeigen ihre ukrainischen Pässe. © NDR Foto: Larissa Mass
Stanislav Roh und sein Vater Dmytro Roh dürfen ihre Pässe von nun an nur noch in der Ukraine verlängern lassen.

Ich kann ehrlich zugeben, dass ich nicht in den Krieg gehen will, weil ich einfach Angst habe, dass ich verletzt oder traumatisiert werde. Der Krieg hat schreckliche Auswirkungen auf den Menschen. Ich habe auch Angst, dass ich danach nicht weiter normal leben werde. Und ich weiß nicht, ob der Staat mich danach wirklich unterstützen kann. Ich sehe die Gefahr, dass man einfach zum Kanonenfutter wird. Und das möchte ich auf keinen Fall, denn ich bin auch ein Mensch und will auch mein Leben leben. Sie sehen mich nicht als Mensch, sondern einfach als ein Werkzeug zum Kämpfen. Ich möchte nicht so benutzt werden.

Reisepass: Neue Gesetze in der Ukraine

Stanislav Roh und sein Vater Dymitri Roh zeigen ihre ukrainischen Pässe. © NDR Foto: Larissa Mass
So sehen die ukrainischen Pässe aus.

Dass ich an die Front soll, hat noch keiner zu mir gesagt. Das kann aber auch daran liegen, dass ich bisher minderjährig war und keiner einen 17-Jährigen fragt, warum er nicht kämpft. Als klar wurde, dass die Ukraine ihre Gesetze ändert und wir unsere Reisepässe nicht mehr im Ausland verlängern können, habe ich versucht, meinen Reisepass noch so schnell wie möglich zu verlängern. Viele von meinen Freunden hatten das gleiche Problem, weil auch ihre Pässe nicht mehr lange gültig waren.

Wehrpflichtige Ukrainer dürfen in Deutschland bleiben

Ich höre die Aussagen der Politiker, die fordern, dass wehrpflichtige Ukrainer nicht in Deutschland unterstützt werden sollen - aber da mache ich mir weniger Sorgen. Eher freue ich mich, dass Kanzler Scholz gesagt hat, dass auch wehrpflichtige Ukrainer ein Bleiberecht haben sollen, auch wenn der Pass abgelaufen ist. Ich weiß, dass es bei mir kein so großes Problem ist, weil mein Pass jetzt lange gültig ist. Aber es betrifft viele, deren Pass bald ablaufen wird. Und so haben sie eine Möglichkeit zu bleiben.

Ich möchte in Deutschland bleiben. Für mein Leben hier hoffe ich, dass ich es erfolgreich weiter aufbauen kann. Ich möchte mein Abi machen, studieren und dann arbeiten.

Das Gesprächsprotokoll führte Larissa Mass, NDR.de.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 11.07.2024 | 06:00 Uhr

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