Nach Urteil: Kindertagespflege in Bad Münder bleibt dicht
Vor fünf Wochen hat der Landkreis die Kindertagespflege "Krümelkids" in Bad Münder wegen Kindeswohlgefährdung geschlossen. Nun hat das Verwaltungsgericht Hannover die Entscheidung bestätigt.
Nach dem Vor-Ort-Termin in Bad Münder entschied die Kammer: Die Einrichtung bleibt geschlossen. Das Verwaltungsgericht Hannover legte fest, dass eine abstrakte Kindeswohlgefährdung vorliege und wies die Klage Einrichtungsleiterin ab. Das Gericht sieht zu viele rechtliche Missachtungen und kritisierte auch den Landkreis.
Betreiberin hat Gesetzesrahmen nicht eingehalten
In einer Kindertagespflege müssen den Betreuerinnen oder Betreuern bestimmte Kinder vertraglich zugewiesen sein. Eine Betreuerin hat also zum Beispiel immer dieselben fünf Kinder, für die sie zuständig ist. Die feste Zuordnung zwischen Betreuerin und Kind hat das Haus "Krümelkids" nicht immer eingehalten. Das hat der Landkreis bei zwei Hausbesuchen Anfang des Jahres beanstandet. Steffi Rodewald, Leiterin der "Krümelkids" erklärte, dass durch Krankheitsausfälle Vertretungen nötig gewesen seien. Vertretungen seien erlaubt, dürfen aber nicht zur Regel werden, monierte das Gericht.
Gericht prüft Arbeitsverträge
Das Gericht hatte alle Arbeitsverträge des Hauses überprüft und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die rechtlichen Kriterien für eine Kindertagespflege nicht erfüllt seien. Die Betreuerinnen der Tagespflege "Krümelkids" waren bei Leiterin Rodewald angestellt. Durch das Betreuungsangebot, das in den Jahren immer weiter gewachsen sei, hätten die Betreuerinnen zu viele Stunden gearbeitet. Das Problem der Überbelegung und Überstunden wäre nicht gewesen, wenn die Betreuerinnen als Selbständige gearbeitet hätten. "Dann dürfen sie so viel arbeiten, wie sie wollen", sagte der Richter.
Kritik am Land: Gesetz ein "sozialpolitischer Skandal"
"So wie es da war, durfte es nicht weitergehen", erklärte der Richter seine Entscheidung. Es sei ein komplizierter Fall, weil die Gesetzeslage unklar sei. Eine Kindertagespflege muss laut Bundesgesetz eine feste Zuordnung zwischen Kind und Betreuerinnen haben. Details soll laut Bund das niedersächsische Landesrecht liefern. "Das ist aber nicht so", kritisierte der Richter. "Der Gesetzgeber hat einfach den Text aus dem Bundesrecht übernommen." Es gebe keine weiteren Erklärungen im Landesrecht. Das sei ein "sozialpolitischer Skandal".
Einrichtung juristisch Kita statt Kindertagespflege
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es sich bei den "Krümelkids" nicht mehr um eine Kindertagespflege handelt. Das Haus sei vielmehr zu einer Kindertagesstätte geworden. Das hätte der Landkreis Hameln-Pyrmont früher erkennen müssen, so der Richter. In einer Kita dürften Kinder ohne Zuordnung in gemischten Gruppen betreut werden. Für eine Kindertagesstätte gebe es aber weder eine Genehmigung und noch speziell ausgebildetes Personal. Eine Qualifizierung zur Tagespflegekraft reiche in einer Kita nicht aus. Dort müssen ausgebildete Erzieher und Erzieherinnen arbeiten. Die Schließung des Hauses sei "alternativlos", erklärte der Richter.
Leiterin fühlt sich vom Jugendamt allein gelassen
Betreiberin Rodewald hatte Hoffnungen in den Ortstermin gesetzt. Sie fühlt sich allein gelassen. "Ich gebe ja zu, dass Kinder auch mal von anderen Frauen betreut wurden. Das habe ich nie verheimlicht", sagte Rodewald dem NDR. Sie habe das Betreuungsangebot an die Bedürfnisse der Eltern angepasst und es allen recht machen wollen. Von der Zusammenarbeit mit dem Landkreis sei sie enttäuscht. "Ich habe die Hinweise des Jugendamts nicht ignoriert. Aber immer, wenn ich die rechtlichen Grundlagen hinterfragt habe, kam keine richtige Antwort", so Rodewald. Ihr stehe eine schwierige Zeit bevor. "Ich habe Angestellte, ich habe Mietverträge. Das löst sich alles nicht in Luft auf. Ich muss jetzt schauen, dass ich nicht in eine Insolvenz rutsche", sagte Rodewald.
Eltern sind nach Urteil enttäuscht
Die bei der Verhandlung anwesenden Eltern waren nach dem Urteil enttäuscht. Nathalie Arnold sagte dem NDR in Niedersachsen: "Rechtlich ist es vielleicht nachvollziehbar. Für mich als Mutter aber nicht. Es ist eine Katastrophe." Sie habe schon ihr erstes Kind mehrere Jahre bei den "Krümelkids" betreuen lassen. Auch ihr zweites Kind sollte dort betreut werden. "Ich habe immer noch keine Betreuung. Mein Kind hat sich immer wohl gefühlt. Es ist aus meiner Sicht nach wie vor eine erstklassige Betreuung." Viele Eltern müssten jetzt in und um Bad Münder eine neue Betreuungsmöglichkeit finden.
Förderverein möchte die Betreuung wieder aufnehmen
Ein wenig Hoffnung bieten Pläne des "Krümelkids"-Fördervereins. Geplant war, dass dieser als Arbeitgeber auftritt, erklärte die Vereinsvorsitzende Tanja Grundmann. Nach dem Urteil herrscht aber Unsicherheit. Eine Weiterführung wäre nur möglich, wenn die Betreuerinnen als Selbständige engagiert würden. Eine Firma zu gründen und Selbständige zu beauftragen sei laut Grundmann aktuell keine Option. "Wir möchten schnellstmöglich wieder die Betreuung aufnehmen", sagte sie. "Ich habe das Gefühl, dass der Landkreis uns am langen Arm verhungern lässt." Man wolle so schnell wie möglich mit dem Landkreis in den Dialog kommen, denn das Angebot werde dringend benötigt.