Hannover: Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, zeigt das Ergebnis einer Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
Hannover: Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, zeigt das Ergebnis einer Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
Hannover: Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, zeigt das Ergebnis einer Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
AUDIO: Betroffenensprecher Detlev Zander: "Dieses Band ist so zerrrissen" (7 Min)

Betroffenensprecher legt Landesbischof Rücktritt nahe

Stand: 06.06.2024 17:59 Uhr

Der Forderung nach einem Rücktritt von Landesbischof Meister schließt sich auch ein Mitglied des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche an. Bischof Adomeit stellt sich hinter Meister.

Die Forderung von vier Betroffenen in einem Brief nach einem Rücktritt des Landesbischofs halte er für berechtigt, sagt Detlev Zander. Er ist Betroffenensprecher im bundesweiten Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seiner Meinung nach müsse ein Neuanfang her, sagte Zander dem NDR Niedersachsen. Er glaube nicht mehr, dass Ralf Meister für den notwendigen Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozess stehen könne. Zander sprach von einem "zerrissenen Band", von dem er nicht glaube, dass es noch zu kitten sei.

Betroffene spricht am Freitag vor Kirchenparlament in Loccum

Landesbischof Meister müsse sich ernsthaft hinterfragen: "Sitze ich noch richtig auf dem Stuhl oder mache ich Platz für wirkliche Reformen, für wirkliche Aufklärung und Aufarbeitung in der Landeskirche Hannovers?" Detlev Zanders Wort hat Beobachtern zufolge Gewicht, denn das Beteiligungsforum ist innerhalb der EKD das entscheidende Gremium beim Thema Missbrauch. Am Freitag wird sich die Landessynode schwerpunktmäßig mit dem Thema sexualisierte Gewalt beschäftigen. Eingeladen ist dann auch Nancy Janz. Die Betroffenenvertreterin ist ebenfalls Mitglied im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt. Sie wird vor dem Kirchenparlament in Rehburg-Loccum (Landkreis Nienburg) sprechen. Janz ist neben Zander auch Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum.  

Bischof Adomeit stärkt Meister des Rücken

Unterdessen äußerte sich am Donnerstag der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit, der auch Ratsvorsitzender der evangelischen Kirchen in Niedersachsen ist. Er nehme es Meister ab, dass dieser das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche sehr ernst nehme. "Dass er es sich zu Herzen nimmt." Und er habe "ein großes Vertrauen, dass auch unsere Schwestern und Brüder in Hannover ordentlich mit dem Thema umgehen". Es sei mutig, dass in Hannover begonnen worden sei, darüber zu reden. Damit sei ein Anfang gesetzt, gut mit dem Thema umzugehen. "Das Schweigen ist das größte Problem", sagte Bischof Adomeit. Zur Rücktrittsdebatte wollte er sich nicht äußern.

Meister sieht keinen Anlass für Rücktritt

Ralf Meister, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche Hannover, sitzt in seinem Büro und schaut zur Seite. © picture alliance / epd-bild Foto: Jens Schulze
Einen Rücktritt lehnte Landesbischof Meister am Mittwoch ab. (Archivbild)

Meister hatte am Mittwoch eine Rücktrittsforderung von Missbrauchsbetroffenen zurückgewiesen. Er sehe keinen Anlass zurückzutreten, teilte er mit. Meister hat nach eigenen Angaben Kontakt zu den Verfassern des Briefes aufgenommen. "Ich habe den vier Betroffenen heute persönlich geantwortet und die Einladung zu einem persönlichen Gespräch ausgesprochen", sagte Meister am Mittwoch am Rande der Frühjahrstagung der Landessynode in Rehburg-Loccum. Er sei sich zudem "der Solidarität seitens der kirchenleitenden Organe" sicher. Der 62 Jahre alte Theologe reagierte auch auf die Kritik an der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche. Meister kündigte an, die Fachstelle personell aufzustocken.

Verfasser schreiben von wiederholten Enttäuschungen

Vier von Missbrauch in der Landeskirche betroffene Personen hatten Meister zuvor in einem Schreiben aufgefordert, auf sein Amt zu verzichten. Der Landesbischof müsse aus dem unzureichenden Umgang seiner Kirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen. "Es hat uns viel Mut gekostet, uns der Kirche anzuvertrauen. Leider sind wir dabei im Wesentlichen immer wieder enttäuscht worden", heißt es in dem Brief vom Mittwoch. Sie warfen der Landeskirche vor, Hinweise seit 2010 nicht oder nur mit wesentlicher Verzögerung bearbeitet zu haben.

Videos
Der Landesbischof Meister. © Screenshot
3 Min

Missbrauchsbetroffene fordern Rücktritt von Bischof Meister

Sie kritisieren einen unzureichenden Umgang der hannoverschen Landeskirche mit Missbrauchsfällen in Oesede. (05.06.2024) 3 Min

Vorwurf: Fachstelle beantwortet Anliegen unzureichend

Die Betroffenen machen Meister in dem Schreiben für die Versäumnisse in der Fachstelle Sexualisierte Gewalt verantwortlich. Auch nach einer Neuaufstellung im Jahr 2021 würden Betroffene "weiterhin sehr negative Erfahrungen" machen, schreiben sie. Mails würden nicht oder nur schleppend beantwortet, Anliegen nicht bearbeitet, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergegeben und "Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind". Sie fordern deshalb: "Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister."

Kirchenleitung verteidigt Meister

Leitende Gremien der Landeskirche stellten sich nach den Vorwürfen hinter den Bischof. Sie seien überzeugt, "dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat", heißt es in einer Erklärung. Man sei der Überzeugung, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der besagten Fachstelle ihre Aufgaben "professionell, mit großem Engagement und im Sinne der Betroffenenorientierung erfüllen". Die Schuld für den Personalmangel in der Fachstelle nahm die Leitung auf sich. Dass die Unterbesetzung nicht früh genug erkannt und behoben worden sei, sei "unser Fehler", hieß es.

Bereits am Dienstag hatten mehr als 200 Pastoren, Diakone und Mitarbeiter der hannoverschen Landeskirche die Kirchenleitung in einem offenen Brief für deren Umgang mit sexuellem Missbrauch kritisiert.

Weitere Informationen
NDR-Reporterin Annette Deutskens © Screenshot
2 Min

Missbrauchsfälle: Scharfe Kritik an der Landeskirche

In einem Brandbrief haben über 200 Kirchenbeschäftigte sich an den Landesbischof Ralf Meister gewendet. Annette Deutskens mit Details. (04.06.2024) 2 Min

Landesbischof Ralf Meister beim Einweihungsgottesdienst der neuen Kirchenfenster in der Marktkirche in Hannover © NDR

Sexueller Missbrauch: 200 Pastoren schreiben Brief an Bischof

Sie seien entsetzt über das Ausmaß sexueller Gewalt in der Kirche und den Umgang damit. Landesbischof Meister reagiert umgehend. (04.06.2024) mehr

Kreuz auf einem Wörterbuch mit dem Wort Missbrauch. © picture alliance / Bildagentur-online/Ohde Foto: Bildagentur-online/Ohde

Sexuelle Missbrauchsfälle: Kirchengemeinde kritisiert Landeskirche

Die Gemeinde in Georgsmarienhütte beklagt mangelnde Unterstützung. Es geht um Missbrauchsfälle in den 1970er-Jahren in Oesede. (29.05.2024) mehr

Florian Breitmeier © NDR Foto: Christian Spielmann

Kommentar: Missbrauch in Oesede - Versagen und zerstörtes Vertrauen

Der Bericht der Kommission deckt schwerwiegende Fehler der hannoverschen Landeskirche auf, meint Florian Breitmeier. (28.02.2024) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 06.06.2024 | 09:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Zwei Stadtbahnfahrzeuge vom Typ TW 6000 in der Kurve am Ernst-August-Platz in Hannover, 18.03.2015 © picture alliance / Michael Narten Foto: Michael Narten

Vor 50 Jahren: Hannovers Stadtbahn kommt leuchtend grün daher

Am 27. Dezember 1974 wird in Hannover die erste Stadtbahn präsentiert. Einige der lindgrünen Züge sind noch heute unterwegs. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen