Betroffenensprecher legt Landesbischof Rücktritt nahe
Der Forderung nach einem Rücktritt von Landesbischof Meister schließt sich auch ein Mitglied des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche an. Bischof Adomeit stellt sich hinter Meister.
Die Forderung von vier Betroffenen in einem Brief nach einem Rücktritt des Landesbischofs halte er für berechtigt, sagt Detlev Zander. Er ist Betroffenensprecher im bundesweiten Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seiner Meinung nach müsse ein Neuanfang her, sagte Zander dem NDR Niedersachsen. Er glaube nicht mehr, dass Ralf Meister für den notwendigen Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozess stehen könne. Zander sprach von einem "zerrissenen Band", von dem er nicht glaube, dass es noch zu kitten sei.
Betroffene spricht am Freitag vor Kirchenparlament in Loccum
Landesbischof Meister müsse sich ernsthaft hinterfragen: "Sitze ich noch richtig auf dem Stuhl oder mache ich Platz für wirkliche Reformen, für wirkliche Aufklärung und Aufarbeitung in der Landeskirche Hannovers?" Detlev Zanders Wort hat Beobachtern zufolge Gewicht, denn das Beteiligungsforum ist innerhalb der EKD das entscheidende Gremium beim Thema Missbrauch. Am Freitag wird sich die Landessynode schwerpunktmäßig mit dem Thema sexualisierte Gewalt beschäftigen. Eingeladen ist dann auch Nancy Janz. Die Betroffenenvertreterin ist ebenfalls Mitglied im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt. Sie wird vor dem Kirchenparlament in Rehburg-Loccum (Landkreis Nienburg) sprechen. Janz ist neben Zander auch Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum.
Bischof Adomeit stärkt Meister des Rücken
Unterdessen äußerte sich am Donnerstag der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit, der auch Ratsvorsitzender der evangelischen Kirchen in Niedersachsen ist. Er nehme es Meister ab, dass dieser das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche sehr ernst nehme. "Dass er es sich zu Herzen nimmt." Und er habe "ein großes Vertrauen, dass auch unsere Schwestern und Brüder in Hannover ordentlich mit dem Thema umgehen". Es sei mutig, dass in Hannover begonnen worden sei, darüber zu reden. Damit sei ein Anfang gesetzt, gut mit dem Thema umzugehen. "Das Schweigen ist das größte Problem", sagte Bischof Adomeit. Zur Rücktrittsdebatte wollte er sich nicht äußern.
Meister sieht keinen Anlass für Rücktritt
Meister hatte am Mittwoch eine Rücktrittsforderung von Missbrauchsbetroffenen zurückgewiesen. Er sehe keinen Anlass zurückzutreten, teilte er mit. Meister hat nach eigenen Angaben Kontakt zu den Verfassern des Briefes aufgenommen. "Ich habe den vier Betroffenen heute persönlich geantwortet und die Einladung zu einem persönlichen Gespräch ausgesprochen", sagte Meister am Mittwoch am Rande der Frühjahrstagung der Landessynode in Rehburg-Loccum. Er sei sich zudem "der Solidarität seitens der kirchenleitenden Organe" sicher. Der 62 Jahre alte Theologe reagierte auch auf die Kritik an der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche. Meister kündigte an, die Fachstelle personell aufzustocken.
Verfasser schreiben von wiederholten Enttäuschungen
Vier von Missbrauch in der Landeskirche betroffene Personen hatten Meister zuvor in einem Schreiben aufgefordert, auf sein Amt zu verzichten. Der Landesbischof müsse aus dem unzureichenden Umgang seiner Kirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen. "Es hat uns viel Mut gekostet, uns der Kirche anzuvertrauen. Leider sind wir dabei im Wesentlichen immer wieder enttäuscht worden", heißt es in dem Brief vom Mittwoch. Sie warfen der Landeskirche vor, Hinweise seit 2010 nicht oder nur mit wesentlicher Verzögerung bearbeitet zu haben.
Vorwurf: Fachstelle beantwortet Anliegen unzureichend
Die Betroffenen machen Meister in dem Schreiben für die Versäumnisse in der Fachstelle Sexualisierte Gewalt verantwortlich. Auch nach einer Neuaufstellung im Jahr 2021 würden Betroffene "weiterhin sehr negative Erfahrungen" machen, schreiben sie. Mails würden nicht oder nur schleppend beantwortet, Anliegen nicht bearbeitet, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergegeben und "Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind". Sie fordern deshalb: "Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister."
Kirchenleitung verteidigt Meister
Leitende Gremien der Landeskirche stellten sich nach den Vorwürfen hinter den Bischof. Sie seien überzeugt, "dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat", heißt es in einer Erklärung. Man sei der Überzeugung, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der besagten Fachstelle ihre Aufgaben "professionell, mit großem Engagement und im Sinne der Betroffenenorientierung erfüllen". Die Schuld für den Personalmangel in der Fachstelle nahm die Leitung auf sich. Dass die Unterbesetzung nicht früh genug erkannt und behoben worden sei, sei "unser Fehler", hieß es.
Bereits am Dienstag hatten mehr als 200 Pastoren, Diakone und Mitarbeiter der hannoverschen Landeskirche die Kirchenleitung in einem offenen Brief für deren Umgang mit sexuellem Missbrauch kritisiert.