"Medikamenten-Flohmarkt": Viel Kritik aus Niedersachsen
Bestimmte Medikamente sind in Apotheken gerade Mangelware. Freunde und Nachbarn sollten sich untereinander aushelfen, schlug Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt vor - und erntet viel Kritik.
Apotheker Philip Winter aus Hannover kann nur mit dem Kopf schütteln: "Erst dachte ich, es sei der erste April", sagt er. Ein Scherz also. Doch zum scherzen ist die Lage zu ernst. Winter und sein Team in der Marienapotheke arbeiten seit Wochen am Limit. Jeden Tag versuchen sie knappe Medikamente bei Zwischen- und Großhändlern oder beim Hersteller selbst zu bekommen. Dass Pillen ohne fachliche Beratung privat weitergegeben werden, ist für ihn undenkbar.
Landesapothekerverband: Medikamenten-Flohmarkt ist absurd
Vom Landesapothekerverband hieß es, auch der Vorschlag, abgelaufene Medikamente quasi über den Gartenzaun zu reichen, sei völlig inakzeptabel und absurd. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) warnte vor gefährlichen Arzneimittel-Einnahmen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen wies den Vorschlag zurück.
Patientenschützer fordern Abkehr von Billigproduktion
Bundesärztekammer-Präsident Reinhardt hatte dem Berliner "Tagesspiegel" am Sonntag gesagt, wer gesund sei, müsse vorrätige Arznei an Kranke abgeben. "Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft." Angesichts der aktuellen Infektionswelle und wachsender Arzneimittelknappheit helfe nur Solidarität. Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz forderte langfristig eine Abkehr von der Billigmentalität bei der Produktion, um die Lieferengpässe in den Griff zu bekommen. Die Fehler der Vergangenheit müssten korrigiert werden.