Europawahl 2024: So ticken die jungen Wähler in Niedersachsen
Bei der Europawahl am 9. Juni ist die Stimmabgabe hierzulande erstmals schon mit 16 Jahren möglich. Das bringt auf einen Schlag rund fünf Millionen Erstwähler. Aber interessiert sich die junge Generation überhaupt für Europa?
Emily Reinecke muss nicht lang überlegen. Was die Europäische Union für sie bedeutet? "Reisefreiheit, keine Roaming-Gebühren und natürlich der Euro", sprudelt es aus der 17-Jährigen heraus. Und Mitschüler Justus Rosengarten gibt zu bedenken: "Man darf nicht vergessen, dass wir in Europa in Frieden leben können." Der Krieg in der Ukraine habe ihm das vor Augen geführt.
Erstwähler über EU: "Man kennt es ja nicht anders"
Emily und Justus sind Erstwähler. Zusammen mit zwei weiteren Mitschülern, Agnes Pitzschel und Aidan Müller, sind sie die Europa-Kenner an ihrer Schule, dem Gymnasium in Lehrte. Alle vier sind Feuer und Flamme für Europa, das wird im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen schnell deutlich. Gleichzeitig wissen sie: Das geht in ihrer Generation längst nicht allen so. "Viele in unserem Alter merken häufig gar nicht so richtig, was die EU wirklich macht", fasst Justus den Eindruck der Gruppe zusammen. "Man kennt es ja nicht anders." Dabei sei die EU vor allem eins: nicht selbstverständlich.
Niedrige Wahlbeteiligung bei jungen Wählern
Immerhin: Eine repräsentative Umfrage des Europaparlaments aus dem Frühjahr ergab, dass sieben von zehn Europäerinnen und Europäern unter 25 Jahren einen Einfluss der EU auf ihren Alltag bemerken. Allerdings hat sich das zumindest in der Vergangenheit nicht in Wahlbegeisterung übersetzt. In Malta und Österreich gibt es schon länger ein Wahlrecht ab 16 Jahren. Wenn hier gewählt wurde, gingen die Jüngeren seltener zur Wahl als ihre Eltern und Großeltern.
Ist die EU zu lebensfern für junge Wähler?
Die Runde in Lehrte rätselt, woran das liegen könnte. "Es ist sehr komplex geworden mit den vielen verschiedenen Mitgliedstaaten", überlegt Agnes. Das führe dazu, dass manches sehr bürokratisch wirke, ergänzt Emily. Die deutsche Politik sei für viele einfach greifbarer, meint Aidan. "Das macht es natürlich schwerer, sich mit der EU identifizieren zu können."
Hoffnungen auf Wahlrecht ab 16
Vielleicht schafft das bundesweit auf 16 herabgesetzte Wahlalter eine neue europäische Identität bei den Jugendlichen. Schließlich waren die bisher nur Zaungäste europäischer Politik. Nun haben sie in Deutschland eine Stimme an der Wahlurne und halten damit das schärfste Schwert der Demokratie in den Händen. Tatsächlich verzeichnet das Eurobarometer, die Umfrage des Europaparlaments aus dem Frühjahr, ein gestiegenes Interesse an der Wahl. 63 Prozent der Befragten unter 24 Jahren sagten, sie würden wahrscheinlich zur Wahl gehen. Allerdings waren sich wiederum nur 33 Prozent "sehr sicher" bei ihrer Wahlabsicht.
Schüler wollen über Europawahl 2024 aufklären
Auch Emily, Justus, Agnes und Aidan freuen sich über ihr neu erlangtes Wahlrecht. "Es ist gut, Jugendliche früh einzubinden, uns Verantwortung zu geben", sagt Emily. Eigentlich brauche es aber noch mehr Unterrichtsstunden über die EU an allen Schulen, um gut informiert in solch eine Wahl zu gehen. Die vier versuchen, ihren Teil dazu beizutragen - und wollen ihren Freundinnen und Mitschülern zeigen, was da eigentlich gewählt wird am 9. Juni. Einige Ideen haben sie sich auf einem europäischen Jugendevent in Berlin geholt. Für sie kann die Wahl losgehen. Jetzt müssen nur noch ihre Altersgenossen nachziehen.