Auspuff-Manipulation an Motorrädern
Ein sonniger Freitagnachmittag in Eimbeckhausen, einem Ortsteil von Bad Münder: Die Region wird in Motorradmagazinen als eine der schönsten für Motorradfahrer angepriesen - steil und mit vielen Kurven.
Eine breite Kurve führt um das Grundstück von Heidrun Huber. Bei ihr treffen sich die Nachbarn aus Eimbeckhausen und den angrenzenden Orten. Sie sind genervt. Sie sagen, gegen die Motorradfahrer, die ruhig fahren, hätten sie nichts. Doch die - wie sie sagen - "Artisten" mit den manipulierten Auspuffanlagen, können sie nicht mehr ertragen. "Es macht aggressiv und wütend, furchtbar wütend", sagt Kai Kietzke. "Es ist unerträglich. Wir verstehen unser eigenes Wort bei dem Krach nicht mehr."
Die Musik der Motorradfahrer
Was sie Lärm nennen, beschreiben Motorradfahrer als Musik. Der Sound? Der ist das Wichtigste, erzählen die Motorradfahrer bei der Eröffnung einer neuen Motorradwerkstatt in Seevetal. Mit Geflüster will sich bei dem Treffen kaum jemand zufrieden geben. Gehört werden - das ist das Ziel. "Hier ist kaum eine Maschine, an der nicht irgendwas Verbotenes dran ist", erklärt uns Motorradfahrer Kalle Haverland.
Manipulationen am Sound sind oft mit wenigen Schrauben möglich: Der DB-Killer, ein Teil des Schalldämpfers, kann zum Beispiel schnell entfernt werden. Auch der Markt für Zubehör-Auspuffanlagen boomt - manche legal, manche illegal. Beliebt auch: Klappensteuerungen. Da kann der Fahrer selbst entscheiden, ob er die Klappen öffnet - und zu laut wird. Ein Funktionsmissbrauch.
Technische Tricks beim Zuberhör
Manche Klappensteuerungen sind elektronisch gesteuert. Sie erkennen offenbar von selbst, wann sie laut sein dürfen - und wann nicht. Diese Steuerungen sind ein besonderer Kniff der Zubehör-Hersteller. Denn die Klappenanlage erkennt offenbar automatisch den Geschwindigkeitsbereich, in dem das Motorrad bei der Typzulassung überprüft wird. Die Folge: Das Motorrad wird leiser, erfüllt die gewünschten Werte. Bei anderen Geschwindigkeiten kann die Maschine wesentlich lauter werden.
Holger Siegel vom Arbeitskreis Motorradlärm im BUND verweist dabei darauf, dass es sich dabei um ähnliche Verfahren handelt, die gerade Volkswagen bei der Manipulation von Abgaswerten vorgeworfen werden.
Zulassungsverfahren für Motorräder
Wenn Hersteller neue Maschinen zulassen wollen, müssen sie eine Fahrgeräusch-Prüfung bestehen: Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h bis etwa 70 km/h wird die Lautstärke gemessen. Dabei darf es nicht lauter als 80 Dezibel sein. Das ist der per Gesetz festgelegte Betriebszeitpunkt "Fahrgeräusch". Mit anderen Geschwindigkeiten wird die Lautstärke nicht gemessen - es gibt also auch keine gesetzlichen Grenzwerte.
Das Paradoxe: Dieses Fahrgeräusch misst die Polizei in Norddeutschland bei Kontrollen nicht. Zu kompliziert sei die Methode, heißt es. Stattdessen wird das Standgeräusch gemessen, das auch bei der Typgenehmigung vom Prüfdienst gemessen und ins Fahrzeugpapier eingetragen wird. Dieses unterliegt aber keinem gesetzlichen Grenzwert. Doch: "Viele Maschinen werden erst im Fahren zu Krachmachern", sagt Otto Johannsen vom Autoclub Europa.
Keine Angst vor Kontrollen
Haben Motorradfahrer mit ihren manipulierten Maschinen Angst vor Kontrollen? "Es ist so, dass wir in der Regel sehr sehr wenig kontrolliert werden. Ich glaube auch, dass es kaum geschulte Polizisten gibt", sagt Kalle Haverland. Er hat Recht: In Norddeutschland gibt es kaum speziell auf Motorradlärm ausgerichtete Polizeikontrollen. Haverland wurde in 15 Jahren mit illegalem Auspuff nur einmal kontrolliert. Noch vor der Punktereform gab es für einen manipulierten Auspuff drei Punkte in Flensburg. Mittlerweile aber zielt der Bußgeldkatalog nur auf Verkehrssicherheit ab, es gibt lediglich ein Bußgeld von 90 Euro. Angesichts der teuren Motorräder kein Problem, meint zumindest Haverland.
Neue Vorschrift ab 2016
Ab 2016 gibt es eine neue Vorschrift auf EU-Ebene. Mit der sollen Motorräder leiser werden. Darin enthalten sind zusätzliche Geräuschanforderungen in anderen Geschwindigkeitsbereichen. Kritiker wie Holger Siegel von der Arbeitsgemeinschaft Motorradlärm im BUND gehen davon aus, dass sich damit kaum etwas verbessert: Hochtourige Fahrweisen, Auspuffklappen und höhere Geschwindigkeiten würden nicht berücksichtigt. Zudem gilt ein Bestandsschutz. Zugelassene Motorräder dürfen so laut fahren wie bisher.
Heidrun Huber und ihre Nachbarn aus Eimbeckhausen und den angrenzenden Orten wünschen sich härtere Strafen für die Krachmacher und mehr Kontrollen durch geschulte Polizeibeamte. Gegen den unnötigen Lärm wollen sie weiter kämpfen, haben eine ortsübergreifende Bürgerinitiative gegründet. Kai Kietzke meint: "Unsere Schmerzgrenze ist erreicht. So kann es nicht weitergehen."