Schwarze Tage für Volkswagen
Dunkle Wolken über Wolfsburg - Gewinnwarnung, Kursverlust, Ermittlungen von Behörden weltweit, mögliche milliardenschwere Strafzahlungen sowie Schadensersatzklagen, ein immenser Imageverlust. Welcher dieser Punkte schwerer wiegt, welcher leichter zu verkraften ist, lässt sich noch gar nicht eindeutig sagen im Skandal um manipulierte Abgastests beim niedersächsischen Autokonzern. Vieles ist noch zu unklar. Zumindest den Forderungen nach einem Rücktritt hat VW-Chef Martin Winterkorn am Dienstag eine Absage erteilt. In einer an die VW-Belegschaft gerichteten Videobotschaft entschuldigt er sich bei den Mitarbeitern, den Kunden und der Öffentlichkeit. "Es tut mir unendlich leid", sagt er wörtlich. Und das Präsidium des Aufsichtsrats ist offenbar darum bemüht, den Schaden möglichst schnell möglichst gering zu halten: Es kam bereits am Dienstagabend zu einer Krisensitzung zusammen - nicht erst wie ursprünglich angekündigt am Mittwoch. Was dort besprochen wurde, darüber allerdings wurde vonseiten des innersten Zirkels des VW-Kontrollorgans geschwiegen.
Erklärung? Fehlanzeige
Unklar ist weiterhin das gesamte Ausmaß der Manipulationen. Eine Börsen-Mitteilung des Konzerns vom Dienstag hat eher noch weitere Fragen aufgeworfen als beantwortet. Demnach seien weltweit etwa elf Millionen Fahrzeuge betroffen. Nur in diesen sei der Motor "EA 189" verbaut, bei dem "eine auffällige Abweichung zwischen Prüftstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt" wurde. Gleichzeitig schreibt VW, dass die Motor-Software, die für die Manipulationen verantwortlich ist, auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Konzerns vorhanden sei. Bei der Mehrheit dieser Motoren habe die Software allerdings keine Auswirkungen, schreibt VW - ohne zu erklären, warum.
VW ist schlagartig rund 27 Milliarden Euro weniger wert
In der gleichen Mitteilung - für VW als Aktiengesellschaft eine Pflichtinformation an die Börse - gab VW bekannt, dass der Dax-Konzern allein im dritten Quartal 6,5 Milliarden Euro gewinnmindernd zurückstellen werde, und zwar "zur Abdeckung notwendiger Service-Maßnahmen und weiterer Anstrengungen." Das allein sind schon mehr als ein Drittel des Gesamtgewinns des Jahres 2014. Die Anleger reagierten dementsprechend: Nachdem das Papier schon am Montag 18,6 Prozent an Wert verloren hatte, sank der Wert der Aktie bis Dienstagnachmittag noch mal um weitere 19 Prozent. VW ist damit seit Bekanntwerden des Abgas-Manipulationen am Wochenende rund 27 Milliarden Euro weniger Wert.
Zahlreiche Staaten fordern Klarheit
In den USA drohen VW zudem strafrechtliche Ermittlungen, sogar der US-Kongress will sich mit dem Thema befassen. Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA wirft VW vor, mithilfe einer speziellen Software die Resultate von Abgasuntersuchungen geschönt zu haben. Das beanstandete Programm soll aufgrund technischer Parameter wie dem Steuerradwinkel und typischen Geschwindigkeitsabfolgen erkannt haben, dass sich das Fahrzeug gerade in einem Emissionstest befindet. Nur in diesen Fällen soll das Programm das Abgas-Kontrollsystem aktiviert haben. Mittlerweile forderten auch zahlreiche andere Länder wie Südkorea und Australien Aufklärung über die Manipulationen oder kündigten wie Italien eigene Untersuchungen an.
Experte sieht sogar Jobs gefährdet
Wie es nun weitergeht, dürfte frühestens am Mittwoch nach einem zweiten Treffen des Präsidiums des VW-Aufsichtsrats feststehen. Allenthalben wird Aufklärung gefordert, auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Umweltbundesamt wirft VW vor, die Gesundheit von Menschen zu gefährden, Umweltverbände warfen VW gar Körperverletzung vor, weil der Schadstoffausstoß der Dieselmotoren weit höher liege als erlaubt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft, Marcel Fratzscher, sieht Jobs bei VW und vielen Zulieferern gefährdet und warnte vor einer Beschädigung des Qualitätsbegriffs "made in Germany".