Wildschweine in Lerbach: Wenn die Rotte vor der Tür steht
In Lerbach im Harz verwüsten Wildschweine Gärten und dringen bis auf Terrassen vor. Die Angst bei Anwohnern wächst. Stadt, Forst und Politik suchen nach Lösungen - bevor die Plage außer Kontrolle gerät.
In der Dämmerung allein zum Schulbus? Lieber nicht. Mit dem Hund spazieren gehen? Nur mit Taschenalarm. "Wenn man daran zieht, gibt das einen schrillen Ton ab - das soll sie vertreiben", erzählt Anwohnerin Alexandra Specht. Ihr Vater nimmt ihn mit, wenn er mit den Hunden unterwegs ist. Die Angst vor Wildschweinen bestimmt in Lerbach mittlerweile den Alltag.
Wildschwein-Plage: "Es wird immer schlimmer"
Wie vielen anderen Anwohnern machen Specht die Rotten Sorgen, die sich immer ungenierter im Ortsteil von Osterode am Harz bewegen - auch tagsüber. "Seit letztem März ist das Problem da, und es wird immer schlimmer. Wir haben einen neuen Zaun gebaut und zusätzlich 150 Meter Elektrozaun. Das hilft jetzt - aber wer weiß, wie lange?"
Rotten kommen bis auf die Terrasse
Kai Pförtner erlebt das Problem fast täglich. "Mein Garten wurde mehrfach verwüstet. Man wundert sich schon, wenn plötzlich morgens Wildschweine auf der Terrasse stehen", erzählt der Anwohner. Auf seinem Handy zeigt Pförtner ein Video: Zwei Bachen mit elf Frischlingen laufen mitten über sein Grundstück. "Ganz weg wird man die Tiere nicht bekommen, aber die Jäger müssen die Population eindämmen."
Bürgermeister: Rund 150 Wildschweine unterwegs
Ortsbürgermeister Olivier Kutscher (CDU) kennt die Sorgen der Anwohner. "Wenn man plötzlich einer Rotte gegenübersteht, ist das angsteinflößend." Zwar gelten Wildschweine nicht als aggressiv, doch wer ihnen zu nahekommt, könnte in Gefahr geraten. "Wir hatten schon immer Wildschweine hier im Ort, aber nie in dieser Intensität." Laut seinen Informationen sind rund 150 Tiere in der Umgebung unterwegs.
Schutzmaßnahmen reichen nicht aus
Besonders schlimm sei es auf dem Spielplatz am Hüttenteich. "Die Grasnarbe ist komplett zerstört - das lässt sich nicht mehr herrichten. Der Spielplatz ist inzwischen mehr für Wildschweine als für Kinder", so Kutscher. Viele Eltern lassen ihre Kinder dort nicht mehr spielen - zu groß ist die Sorge, dass plötzlich eine Rotte auftaucht. Um die Tiere fernzuhalten, hat die Stadt Osterode Vergrämungsmittel angebracht: spezielle Duftstoffe, die Wildschweine abschrecken sollen. Doch deren Wirkung sei begrenzt. "Besonders nach Regen verliert das Mittel schnell seine Wirksamkeit und muss immer wieder erneuert werden", erklärt Jens Augat (SPD), Bürgermeister der Stadt Osterode. Der Aufwand sei kaum zu stemmen. Deshalb soll der Spielplatz nun mit einem 280 Meter langen Zaun gesichert werden.
Wildschweine in Lerbach: Gefahr für den Verkehr wächst
Neben der unmittelbaren Bedrohung für die Anwohner wächst auch die Gefahr auf den Straßen. "Wir hatten hier in Lerbach zwar noch keinen Wildunfall", sagt Kutscher. "Aber die Tiere laufen mitten durchs Dorf." Ein einzelnes Tier könne bis zu 150 Kilo wiegen - ein Zusammenstoß mit einem Auto hätte schwerwiegende Folgen. Die Landesforsten raten deshalb zur Vorsicht. Besonders in der Dämmerung sollen Autofahrer in Waldgebieten ihre Geschwindigkeit reduzieren und Wildwechsel-Warnschilder beachten.
Warum Schießen keine Lösung ist
Viele Anwohner wünschen sich eine stärkere Bejagung. Doch das ist in Wohngebieten kaum möglich. "Ein Wildschwein ist juristisch ein herrenloses Tier", erklärt Ortsbürgermeister Kutscher. "Aber in bewohnten Gebieten darf nur in absoluten Ausnahmefällen geschossen werden." Die Niedersächsischen Landesforsten haben zwar die Jagd in den angrenzenden Wäldern intensiviert, doch das reicht nicht aus. "Die Population wächst schneller als wir sie regulieren können." Auch Bürgermeister Augat betont: "Dass hier geschossen wird, ist nur Ultima Ratio. Die Hürden dafür sind hoch, das muss das Landwirtschaftsministerium entscheiden."
Wie geht es weiter? Suche nach Lösungen
Fest steht: Lerbach braucht eine langfristige Strategie. "Wenn wir den Spielplatz einzäunen, ziehen die Wildschweine weiter - dann trifft es die nächsten Anwohner", sagt Bürgermeister Augat. Eine vollständige Verdrängung sei derzeit nicht möglich. "Wir wissen, dass wir handeln müssen, aber eine schnelle Lösung gibt es nicht." Stadt und Landesforsten wollen daher gemeinsam Maßnahmen entwickeln, um die Tiere nachhaltig fernzuhalten. Alexandra Specht hofft dennoch, dass sich die Situation zeitnah bessert. "Ich will einfach wieder in Ruhe durchs Dorf gehen können, ohne Angst zu haben." Bis dahin setzt sie auf ihren Wildschweinschutz - ob der auf Dauer reicht, bleibt abzuwarten.
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