Verkehrsberuhigung: Zwei Gänse bringen Autos im Harz zum Bremsen
Im Harz sorgen zwei freilaufende Gänse für Aufsehen. Sie spazieren durch die Straßen, bringen den Verkehr zum Stehen und bieten dem Dorf eine einzigartige Verkehrsberuhigung - ohne Zebrastreifen oder Bodenwellen.
Sie sind die wohl prominentesten Dorfbewohner in Gittelde, einem Ortsteil von Bad Grund: Gretchen und Schnattchen, zwei ausgewachsene Gänseweibchen, die sich seit drei Jahren in dem kleinen Örtchen im Harz frei bewegen. Besonders häufig sind sie vor der Grundschule zu sehen - unbeeindruckt von Autos, Kindern oder Passanten. Während sie entspannt auf der Straße watscheln oder am Wegesrand grasen, zwingen sie Autofahrer zum Bremsen - und sorgen so für eine natürliche Verkehrsberuhigung.
Tierische Bewohner im Harz: Gitteldes Gänse auf Streife
"Die Autos stören sie überhaupt nicht", erzählt Anwohnerin Karin Blume-Gebhardt. "Manchmal stehe ich minutenlang hinter ihnen, wenn ich zur Arbeit fahre. Aber die Leute fahren dadurch langsamer, und das ist doch gut!" Trotz ihrer entspannten Haltung zeigen die Gänse klare Grenzen auf. "Wenn man ihnen zu nahekommt, fangen sie an zu schnattern und breiten die Flügel aus", erklärt Friedhelm Selle, Besitzer der Tiere. Er betont jedoch, dass von den Gänsen keine echte Gefahr ausgehe: "Sie machen das, was Gänse eben machen. Sie sind ein Teil des Dorflebens, und das wird von den meisten hier geschätzt."
Probleme mit dem Verkehr im Dorf: 2.000 Autos täglich
Das Fleckchen Gittelde zählt nur etwa 1.700 Einwohner. Trotzdem sei das Verkehrsaufkommen hoch, berichtet Bürgermeister Olaf de Vries. "Vor allem zu den Zeiten, an denen Eltern ihre Kinder zur Schule bringen oder sie wieder abholen, ist hier richtig was los." Bei einer Verkehrszählung im letzten Jahr seien auf der Straße vor der Grundschule 2.000 Autos am Tag erfasst worden. Olaf de Vries sieht hier Handlungsbedarf: "Wir haben uns lange für einen Zebrastreifen eingesetzt, aber der Landkreis lehnt das ab. Die Zahlen reichen angeblich nicht aus." Die Gänse seien daher ein Glücksfall. "Gretchen und Schnattchen sorgen dafür, dass die Autos langsamer fahren. Sie sind effektiver als jede Bodenwelle und bringen nebenbei noch etwas Lebensqualität ins Dorf zurück", sagt de Vries mit einem Schmunzeln.
Alte Tradition auf dem Land: Gänse als wachsame Helfer
Freilaufende Gänse sind in Gittelde nicht neu - vielmehr erinnern Gretchen und Schnattchen an eine Tradition, die in ländlichen Gebieten weit verbreitet war. "Früher waren Gänse unverzichtbar auf den Höfen", erklärt Friedhelm Selle. "Sie haben nicht nur für frische Eier und Fleisch gesorgt, sondern waren auch hervorragende Wachtiere. Ihr Gehör ist ausgezeichnet, und sie schlagen sofort Alarm, wenn sich jemand nähert."
Tiere bringen mehr Sicherheit für Kinder
Auch heute scheinen die beiden Tiere diese Rolle beizubehalten, allerdings auf eigene Weise. Anstatt in Scheunen oder Gärten sorgen sie auf den Straßen von Gittelde für Ruhe. Für viele Eltern ist das eine willkommene Unterstützung. "Unsere Kinder laufen hier vor der Schule herum, und wenn die Autos mit hoher Geschwindigkeit fahren, ist das gefährlich", erklärt Mutter Jean Schubbert. "Deshalb bin ich froh, dass die Gänse hier sind. Sie sorgen nicht nur für Sicherheit, sondern sind für die Kinder auch immer ein Highlight. Es macht ihnen einfach Spaß, die beiden zu beobachten."
Keine Weihnachtsgänse: Gretchen und Schnattchen bleiben in Gittelde
Die Gänse sind mittlerweile fester Bestandteil des Dorfbildes - und das soll auch so bleiben. Fragen, ob die beiden vielleicht zu Weihnachten auf dem Tisch landen könnten, weist Hofbesitzer Friedhelm Selle entschieden zurück: "Die beiden sind wie Haustiere. Außerdem sind sie längst zu alt für den Braten." So darf das Gänsepaar also weiterhin ein Symbol für die Entschleunigung im Harz bleiben - und beweisen, dass manchmal die kleinsten Dorfbewohner die größte Wirkung haben können.