Trotz Fachkräftemangels: Pflegeassistent wird abgeschoben
Abdelhamid El Khadiri arbeitet in einem Braunschweiger Krankenhaus. Der 25-Jährige möchte in Deutschland als Arzt arbeiten. Fachkräfte werden dringend gebraucht - der Marokkaner wird trotzdem abgeschoben.
Dem Braunschweiger Krankenhaus Marienstift geht es so wie vielen anderen Kliniken im Land. Die Dienstpläne sind eng gestrickt und die Arbeitsbelastung ist hoch, auch weil es zu wenig Pflegepersonal und Ärzte gibt. Neue qualifizierte Mitarbeiter können sie hier immer gut gebrauchen. Abdelhamid El Khadiri ist so jemand. Aktuell arbeitet er als Pflegeassistent in dem Braunschweiger Krankenhaus, schon bald könnte er dort auch Arzt sein. Aber daraus wird nichts: Bis zum 11. Mai muss El Khadiri Deutschland verlassen. Er wird abgeschoben.
El Khadiri floh vor dem Ukraine-Krieg
Seit März 2022 lebt Abdelhamid El Khadiri in Braunschweig. Er floh nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aus Charkiw nach Deutschland. Hier hat er Medizin studiert. Gebürtig kommt der 25-jährige aus Casablanca in Marokko. Dorthin muss er jetzt auch wieder zurück. Die Nachricht über die Abschiebung war ein Schock für ihn: "Ich mag meine Arbeit und ich möchte hier Arzt werden. Das geht jetzt aber nicht mehr."
Chefarzt: "Können es uns nicht leisten, solche Menschen abzuschieben"
Entsetzt über diese Nachricht ist auch Rainer Prönneke, der Chefarzt für Innere Medizin im Krankenhaus Marienstift. Zu gern hätte er El Khadiri weiterhin in seinem Krankenhaus beschäftigt: "Abdelhamid bringt alles mit, er macht super Arbeit. Wir können es uns nicht leisten, solche Menschen abzuschieben." Fachkräfte werden dringend gebraucht - auch in der Pflege. In niedersächsischen Krankenhäusern beispielsweise fehlen laut dem Verband der Ersatzkassen durchschnittlich in jeder siebten Schicht Pflegekräfte. Auch deshalb sollen qualifizierte Fachkräfte eigentlich nicht abgeschoben werden. Das ist auch per Gesetz festgehalten: "Einer Fachkraft mit akademischer Ausbildung wird eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung jeder qualifizierten Beschäftigung erteilt", heißt es in Paragraf 18b des Aufenthaltsgesetzes.
Trotz Studium und Job: El Khadiri gilt nicht als Fachkraft
Doch wer als Fachkraft gilt und wer nicht, das entscheiden die Bundesagentur für Arbeit und die zuständige Ausländerbehörde. Trotz Studium und Job gilt Abdelhamid El Khadiri nicht als Fachkraft. Wie kann das sein? Eine akademische Ausbildung hat der 25-jährige zweifelsfrei, sein Master-Abschluss in Medizin ist ihm sogar vom Kultusministerium bescheinigt worden. Zum Verhängnis wird ihm jetzt aber sein aktueller Job: Pflegeassistent. Denn dieser ist für die Agentur für Arbeit keine qualifizierte Beschäftigung. El Khadiri übe "lediglich Helfertätigkeiten aus, die nicht seiner Qualifikation entsprechen", heißt es im Abschiebe-Schreiben der Stadt Braunschweig. Da hilft auch nicht, dass sein Arbeitgeber, das Braunschweiger Krankenhaus Marienstift, bescheinigt, dass El Khadiri als Pflegeassistent Tätigkeiten ausübt, "die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, die durch eine abgeschlossene Berufsausbildung erworben werden".
El Khadiri wird Deutschland verlassen - vielleicht für immer
Die Stadt Braunschweig hat sich am Dienstag zu diesem Fall geäußert. Im Antwortschreiben heißt es, dass Adelhamid El Khadiri "über alle theoretisch in Betracht kommenden Aufenthaltszwecke sehr ausführlich beraten wurde." Letztlich verweist die Stadt aber auf die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit. Daran sei die Ausländerbehörde gebunden. Chefarzt Rainer Prönneke kann nicht nachvollziehen, wieso die Bundesagentur für Arbeit in diesen speziellen Fall nicht etwas Augenmaß walten lässt. Vor allem, weil er schon eine Idee hatte, wie El Khadiri möglichst schnell als Arzt im Marienstift hätte anfangen können. Denn damit El Khadiris Studium vollständig anerkannt wird, fehle ihm nur noch das letzte Ausbildungsjahr, das sogenannte "praktische Jahr".
"Win-Win-Situation für alle Seiten" gescheitert
Dieses, so die Idee von Prönneke, könnte er im Marienstift absolvieren. Die Studiengebühren für die letzten zwei Semester könne das Krankenhaus vorstrecken und El Khadiri würde diese zurückzahlen, sobald er Arzt ist. Das wäre für den Mediziner eine Win-Win-Situation für alle Seiten gewesen, doch dazu kommt es nicht. "Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland auch mal andere Wege gehen, um Fachkräfte für uns zu gewinnen", sagt der Chefarzt.
Ob El Khadiri eines Tages nach Deutschland zurückkehrt?
El Khadiri hat sich mit seinem Schicksal inzwischen abgefunden. Nach so viel Austausch mit den Behörden fehle ihm neben dem Geld, auch die Kraft, um gegen die Abschiebung zu klagen. In den nächsten Tagen wird er Deutschland verlassen, freiwillig wahrscheinlich noch vor der Abschiebe-Frist. Ob er aus Marokko eines Tages zurück nach Deutschland und Braunschweig kommt, wisse El Khadiri nicht. Er hätte sich gewünscht einfach hierbleiben zu können und Arzt zu werden.