Auf Wunsch der Pflegekräfte: Klinik testet Zwölf-Stunden-Schichten

Stand: 06.12.2023 08:48 Uhr

Personalmangel ist gerade in Pflegeberufen ein Problem. Um dem zu begegnen, geht die Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde einen ungewöhnlichen Weg: Sie bietet längere tägliche Arbeitszeiten an.

von Karoline Kempe

Natalie Neumann misst den Blutdruck eines Patienten. Der Mann wurde vor zwei Tagen am Herzen operiert und liegt seit wenigen Stunden nun auf Station 10 der Herzchirurgie. "Ich komme später noch mal vorbei zum Wiegen", sagt Natalie Neumann. Sie ist den ganzen Tag im Dienst, von 6.30 bis 19 Uhr. "Für mich ist es viel stressfreier. Sonst musste ich bis zur Übergabe am Mittag alles erledigen, wenn ich Frühdienst hatte. So kann ich mir das besser einteilen", erklärt sie.

"Was können wir tun, damit ihr bleibt?"

Pflegerin Natalie Neumann und Stationsleiterin Frauke Brömmelhaus schauen gemeinsam auf einen Bildschirm. © NDR Foto: Karoline Kempe
Pflegerin Natalie Neumann (links) spricht ihre Schichten immer mit Stationsleiterin Frauke Brömmelhaus ab.

Die 31-Jährige ist eine von 18 Pflegekräften einer Station, die freiwillig an der Testphase der Zwölf-Stunden-Schichten teilnehmen. Die Idee kam von den Mitarbeitenden selbst. Viele Pflegekräfte im Haus hätten mit dem Gedanken gespielt zu kündigen, sagt Stationsleiterin Frauke Brömmelhaus. "Daraufhin habe ich eine Stationsbesprechung einberufen unter dem Hauptthema: 'Was können wir tun, damit ihr lieber in der Schüchtermann-Klinik arbeitet und bleibt?' Da kam sofort die Idee, ein anderes Schicht-Modell einzubauen." Der Hauptvorteil: Die Dienstzeit ist zwar länger, dafür haben die Mitarbeitenden an mehr Tagen als sonst frei. Sie sind in den Schichten länger in der Klinik, aber insgesamt seltener. Die Freizeit können sie so besser nutzen.

Zufriedenheit wird regelmäßig abgefragt

Der Betriebsrat musste dem Modell zustimmen und das Gewerbeaufsichtsamt eine Ausnahmeregelung für die Zwölf-Stunden-Schichten genehmigen. Vier Monate wird das Modell getestet, bislang nur auf Station 10. Die Pflegerinnen und Pfleger dürfen selbst entscheiden, ob sie an dem Modell teilnehmen und auch, wie viele der langen Schichten sie machen möchten. Sie füllen regelmäßig Fragebögen aus und bewerten so beispielsweise ihr Stresslevel, den Tagesablauf und die Zusammenarbeit. Bislang ist der größte Teil zufrieden, vor allem der Stress sei weniger geworden. Das hat die Auswertung der Fragebögen ergeben.

Mögliche Fortsetzung nach der Testphase

Bis Ende des Jahres läuft die Testphase noch. Wenn die Rückmeldungen weiterhin so positiv sind, möchte die Schüchtermann-Klinik das Modell fortsetzen. "Dann müssen wir eine Öffnung in unserem Tarifvertrag erreichen, dass wir das dauerhaft einsetzen können", sagt Harald Wolf, Leitung Personalmanagement. "Natürlich gibt es dann Auflagen, die Details müssen natürlich noch besprochen werden." Das Modell soll aber weiterhin freiwillig bleiben. Andere Stationen könnten es übernehmen.

"Mir macht das gar nicht so viel aus"

Pflegerin Natalie Neumann lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Karoline Kempe
Natalie Neumann arbeitet gern in Zwölf-Stunden-Schichten.

Um 13.30 Uhr ist Übergabe auf Station 10, danach gehen die Pflegerinnen und Pfleger der Frühschicht nach Hause. Für Natalie Neumann ist der Arbeitstag noch lange nicht beendet. "Dafür habe ich die nächsten drei Tage frei, deswegen macht mir das gar nicht so viel aus", sagt sie. Sie gucke auch nicht auf die Uhr, um die Stunden zu zählen, die noch vor ihr liegen. Als sie sich gerade für die Mittagspause an den Tisch gesetzt hat, klingelt das Telefon. Ein Patient soll auf der Intensivstation abgeholt werden. "Kein Problem, dann mache ich das zuerst und esse hinterher. Ich bin ja noch ein paar Stunden da."

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Hallo Niedersachsen | 05.12.2023 | 19:30 Uhr

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